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Angenehm unangenehm:

Geschichten vom Waldstock Festival


 
 

fotos Mo Potzler & Uli Digmayer

Aus akuter Not ins Leben gerufen, hat das Waldstock Festival inzwischen 24 Jahre Umsonst & Draußen hinter sich. Zusätzlich gibt es seit 1999 – unter der Flagge des Waldstock e.V. – noch zig weitere Veranstaltungen zur Bereicherung der oberfränkischen Kulturlandschaft und wenn man den Geschichten des Waldstock-Teams glauben schenken darf, ist dabei wohl noch nie wirklich etwas schiefgelaufen. Hier ein paar Episoden aus dem Waldstock-Festivalalltag.

 

Nina / Urgestein, Bierstand, Schulter für alles

Angenehm
Es ist schwierig, da eine einzelne Sache rauszupicken…. Es fühlt sich einfach richtig gut an, dass die Zusammenarbeit vieler (unterschiedlicher) Menschen so gut klappt. Dass alle Hand in Hand arbeiten und mitdenken und sogar Leute ein paar 100km weit anreisen, nur um mitarbeiten zu können und ein Teil des Ganzen zu sein. Dass alle so fleißig und hilfsbereit sind. Dass alle (meistens) gut gelaunt sind, auch wenn´s mal stressig ist, da kommen wir immer wieder in richtige Flow-Zustände, in denen einfach alles gelingt und die Arbeit fast zum Tanz wird. Dass man beinahe immer Zeit für ein Schwätzchen und ein Bierchen hat. Dass die meisten der Besucher sich wohl fühlen, die tolle Atmosphäre genießen und zur einzigartigen, ganz speziellen Waldstock-Stimmung beitragen. Dass alle soviel Freude (und das ist nicht dasselbe wie Spaß!) an der Sache haben.

Unangenehm
Kleinere und selten größere Störungen gibt es immer wieder mal. Nervig zum Beispiel sind Festivalbesucher die ihre eigenen Getränke mitbringen – Waldstock finanziert sich über den Getränkeverkauf – und dann auch noch die Flaschen oder Scherben nicht mal in den Müll werfen. Das ist aber zum Glück in den letzten Jahren schon viel weniger geworden.
Dann kann es hinter den Kulissen in den heißen Phasen ganz schön stressig werden, zum Beispiel beim Backstage-Catering: Das Essen schnell genug und pünktlich fertig haben, stundenlang am heißen Grill stehen oder Abspülen unter erschwerten Bedingungen – aber das gehört alles dazu und es findet sich immer jemand der hilft oder zumindest Gesellschaft leistet und ein Bier vorbeibringt.

Flo Wallner / Kaffeebar – Allrounder beim Auf- und Abbau

Angenehm:
Eine Freundin aus Berlin kam vergangenes Jahr mit ihrer neunköpfigen Band, um bei uns auf der Waldstockbühne ein paar Songs zu spielen. Sie hatte bereits andere musikalische Erfahrung gesammelt und spielte mit anderen Bands auf unzähligen Festivals/Konzerten und auch vor über 70.000 Fans und mehr. Doch das Waldstock Festival, so sagten alle einstimmig, ist etwas ganz Besonderes: Überall steckt die Liebe zum Detail, alle sind fröhlich, die Stimmung wirkt so „familiär“. Das eigentliche Fazit: Es sei das schönste Festival, auf welchem Sie je gewesen sei. Das war für mich das schönste Lob, welches ich auch sofort an das Waldstock-Team weiter gab.

Unangenehm:
Wir arbeiten hart und viel für zwei Festivaltage. Über 100 ehrenamtliche Mitarbeiter – und leider gibt es immer wieder Besucher, die trotz der niedrigen Getränkepreise auf dem Gelände noch ihre eigenen Flaschen schmuggeln.
Vor einem Jahr hatte ich diesbezüglich leider eine nervige Auseinandersetzung mit einer Gruppe Jugendlicher, die dafür leider kein Verständnis hatten.

Susi / Urgestein, Catering, Schulter für alles

Angenehm
Ich genieße es total mich mit vielen anderen bis zu außergewöhnlichen Glückszuständen abzurackern und lauter Leute um mich zu haben, die das einfach genau so gerne tun. Dazu haben wir – also der Große Waldstock – auch unsere Treffen, bei denen wir uns für ganz viele Dinge zusammen entscheiden. Total junge Menschen übernehmen Jobs und Verantwortung (manchmal wird man darüber auch älter), wir probieren Dinge aus und riskieren was und da ist so viel Power und Kreativität und wunderbare Liebe. Der Große Waldstock entscheidet, was der Große Waldstock macht und wie, und dabei haben wir uns auch gegen ein paar Sachen entschieden. Und das macht einen Teil der Atmosphäre bei uns aus: Wir haben uns entschieden klare Kante gegen Rechts zu zeigen: wir wollen keine Nazis auf dem Platz haben. Und eine ebenso klare Aussage gibt es gegen Drogen auf dem Platz: Wir haben nun schon seit ein paar Jahren als Stammgäste „mindzone“ da: das ist ein Peer-Präventions-Projekt. Dabei bieten nette Leute, die ehemalige User sind, einen Stand mit coolen Aktionen an und dabei kann man ins Gespräch kommen: Das finde ich richtig gut und ziemlich einzigartig.

Unangenehm
Also eines schönen Waldstocks begab es sich, dass wieder einmal bei fabelhaftem Wetter ein wunderbar-fröhlich-ausgelassenes Fest stattfand. Doch wie das immer so ist, auch die schönste Party hat ein Ende und ich hatte mich bereit erklärt, eine der Bands nach getaner Feierei in ihr Hotel zu fahren – das war bei 15km Entfernung dann doch zu weit für einen nächtlichen Spaziergang. Aber (das unvermeidliche A-Wort): Aber, also, unser fränkisches Bier schmeckte so gut, dass die Herren, die ganz offensichtlich schon dem Genuss der einheimischen Braukunst eher ausgiebiger gefrönt hatten, sich davon noch nicht so wirklich trennen wollten. Am liebsten wollte jeder noch ein sogenanntes „Weg-Seidla“, allerdings im Becher, mit auf die Reise nehmen. Dank der kurvigen Strecke und angesichts fortgeschrittener Stunde und des Zustand, sah mir das nicht nach einer guten Idee aus. Szenarien mit biergetränktem Fußraum und entsprechendem Dunst in meiner Familienkutsche in den nächsten Wochen drängten sich auf. Nach einigem Hin und Her vereinbarten wir, dass wir unsere Fahrt nach dem Austrinken der bereits gefüllten Becher antreten wollten. Doch die Augen waren größer als der Durst und ein weiteres Stündchen strich ins Land. Die Sache nahm dann noch einmal Fahrt auf, als mein Bauch ins Feld geführt wurde. Dies gelang ob der unübersehbaren Größe: Ich war ziemlich schwanger damals und dann doch der Meinung, dass entweder nun mein Angebot anzunehmen sei, oder eben zu laufen. Das löste dann den Austausch von Argumenten aus, was ich wohl hier wolle, wenn ich doch quasi nicht in der Verfassung sei, Geduld aufzubringen…, werdende Mütter gehörten ja wohl um die Zeit ins Bett, blabla aus. Naja. Emanzipation sieht auch anders aus. Drei der Fünf stiegen angesichts des grauenden Morgens dann doch lieber ein und ließen sich brav chauffieren, ein weiterer weigerte sich mit „dem bösen Mann“ aka Vater des ungeborenen Kindes mitzufahren während der andere versuchte zu retten, was zu retten war und ihnen doch noch einen „Ride“ besorgte.

Lavinia / Booking Rahmenprogramm und Koordination, Deko

Angenehm:
Angenehm… ja da fallen einem viele Sachen ein. Eines der vielen Dinge, worauf man sehr stolz sein kann, ist unser Merch, speziell die Festival Kleidung, die man vor Ort kaufen kann. Denn diese wurden fair hergestellt und sind „Gots“ (Global Organic Textile Standard) zertifiziert. Es ist einfach schön zu sehen, dass auch so ein kleines Festival, das nur von ehrenamtlichen Helfern lebt und bestehen kann, trotzdem auch in diesem super-wichtigen Bereich genügend Motivation und Engagement aufbringt. Und sowas können nicht viele Festivals von sich behaupten. Von daher suuuper ANGENEHME Sache.

Unangenehm:
Unangenehmes, also wirklich unangenehmes, gibt es bei Waldstock zum Glück sehr selten. Das einzige, das ich jedes Jahr aufs Neue nicht angenehm finde, findet zum Glück erst nach dem Festival beim Abbau statt. Und damit meine ich nicht das Aufräumen allgemein, denn das ist ganz normal und gehört selbstverständlich dazu. Ich rede vom Job des „2460192-Zigaretten-Stummel-Aufsammlers“. Zum einen hat man nach ein paar Stunden das Gefühl, dass man erst drei Meter weiter gekommen ist. Zum anderen kommt ständig ein ekelhafter, kalter Rauchgeruch in die Nase und das ist nach einer sehr langen, feucht-fröhlichen Nacht nicht besonders lecker. Im Gegenteil, danach kann ich selbst erstmal die nächste Woche keine einzige Zigarette mehr sehen.

Franzi und Johann / Bar-Häuptlinge

Angenehm:
Als erstes gibt es etwas ganz Wichtiges zu sagen: Waldstock ist das schönste Wochenende überhaupt wir fiebern das ganze Jahr darauf hin. Es gibt so viele tolle und unbeschreibliche Momente die man alle überhaupt nicht in Worte fassen kann.
Doch einer davon ist Samstag Nacht, wenn die Securitys und die Besucher vom Platz sind, dann fällt der ganze Stress und die Last von unseren Schultern.
Es beginnt die beste Zeit, wenn alle im Backstage zusammen kommen und in Ruhe ein kühles Bier trinken, über Gott und die Welt philosophieren und die pure Lebensfreude genießen können. Es ist wunderschön zu hören, wenn es den Besuchern bei uns auf der Festwiese gefällt und wir Lob dafür bekommen, in Momenten der Erschöpfung erinnern wir uns daran und ziehen jede Menge Energie daraus.

Waldstock liebt euch.

Unangenehm:
Die Cocktails sind furchtbar gemischt, die leeren Flaschen liegen in jeder Ecke der Bar verteilt und wenn es keine Eiswürfel mehr gibt: An solchen Momenten ist die Motivation am Tiefpunkt.
Wenn die Festivalbesucher denken, in der Kühltruhe sitzt ein Krokodil, obwohl es nur die Eiswürfel sind, die zu einem riesigen Berg gefroren sind. Infolgedessen mussten wir mit Hammer und Schaufel das Eis „ernten“. Das war richtig unangenehm, denn das schlimmste ist, wenn wir unsere Gäste nicht zufrieden stellen können.