Fast zwei Jahre Pandemie und erneut muss das ESNS (Eurosonic Noorderslag) im Januar digital stattfinden. Bis vor ein paar Wochen hatten die Veranstaltenden noch auf ein analoges Festival gehofft, jetzt macht Omikron auch hier eine Live-Begegnung unmöglich. Trotzdem finden wieder zahlreiche europäische Acts den Weg auf unsere Laptop-Screens. Einige davon gefördert vom ESNS Exchange.
text Isabel Roudsarabi
fotos Niels Knelis, Ben Houdijk
lesezeit 4 Minuten
Seit 2003 gibt es das European Talent Exchange Program, das heute ESNS Exchange heißt, ins Leben gerufen vom ESNS. Jedes Jahr werden darin Acts aus vielen europäischen Ländern international promoted und Festival-Shows und Konzerte außerhalb ihrer Heimatländer ermöglicht. Gemeinsam mit der European Broadcasting Union (EBU), Musik Export Büros der einzelnen Länder und lokalen Medien erhalten die Künstler:innen zusätzlich mediale Aufmerksamkeit und werden dabei unterstützt, ihre Karrieren im europäischen Raum stärker auszubauen.
"Festivals sind dafür ideal, sie sind nationale Plattformen, auf denen ein interessiertes Publikum, sowie nationale Medien und Menschen aus dem Musikbusiness zusammenkommen. Alle Booker des ETEP kommen auf das ESNS Festival um neue Acts für ihre Festivals im selben Jahr zu buchen.", erklärt uns Ruud Berends, Leiter der ESNS Konferenz und des ESNS Exchange, dazu letztes Jahr in einem Interview.
Rückblick 2021
Obwohl das ESNS auch 2021 nur digital stattfinden konnte und viele der Festivals, auf denen die Acts hätten auftreten können, erneut abgesagt wurden, hat das Programm dennoch einige Erfolge verzeichnen können. Mit einer angepassten Strategie haben die Künstlerinnen und Künstler also trotzdem die Aufmerksamkeit erhalten, die ihnen zustand. Die Festivals wurden dazu aufgerufen, ihre favoritisierten Artists auf ihren Plattformen vorzustellen, selbst wenn ihre Veranstaltungen nicht stattfinden konnten. Insgesamt wurden so 59 Künstler:innen aus 22 Ländern von 37 Festivals promoted, außerdem weitere 141 Einzelshows von 100 Acts.
Vor allem Molchat Doma (Weißrussland), Altin Gün (Niederlande, Los Bitchos (Großbritannien) und My Ugly Clementine (Österreich) stachen aus der Menge heraus und könnten doch noch das ein oder andere Festival spielen. Molchat Doma und Los Bitchos waren so unter anderem auch auf dem diesjährigen Immergut Festival in Neustrelitz zu sehen.
Neben dem Immergut nehmen noch 19 weitere deutsche Festivals an dem Programm teil, darunter das Maifeld Derby, Happiness und Melt Festival. Auch internationale Festivalgrößen wie das Glastonbury, das serbische EXIT oder Roskilde sind dabei.
Gemeinsam in die Zukunft schauen
Und auch nächstes Jahr soll es mit dem Programm wie gewohnt weitergehen. Eurosonic Managing Director Dago Houben erklärt: "ESNS ist von großer Bedeutung für die gesamte Musikindustrie, vor allem für europäische Künstler:innen. [...] Anfang des Jahres haben wir gesehen, wie riesig die Reichweite der digitalen Ausgabe war und konnten trotz der Umstände die Karrieren von unseren Artists voranbringen.
"Deshalb freut es uns auch so sehr, dass wir allen, für die nächste Ausgabe gebuchten Acts, mit Hilfe unserer Medienpartner die Aufmerksamkeit schenken können, die sie verdienen."
Neben den musikalischen Shows gibt es auf dem ESNS 2022 natürlich auch wieder eine Vielzahl an Panels, Diskussionen und Keynotes zu sehen. Unter anderem wird Frans Timmermans, der Vizepräsident der Europäischen Kommission einen Einblick in die Bedeutung von Musik im Zusammenhang mit dem Europäischen Green Deal geben. Außerdem wird, unter anderem mit Greg Parmley vom IQ Magazin und Stephan Thanscheidt (CEO FKP Scorpio), über die Festivalsaison 2021 gesprochen, sowie in mehreren Sessions über den Wiederaufbau der Branche nach knapp zwei Jahren Stillstand. Und auch die Music Moves Europe Talent Awards werden digital stattfinden.
Obwohl wir uns natürlich auf eine analoge Ausgabe gefreut hätten, mal wieder ein gemeinsames Bier und eine Liveband in Groningen zu erleben, ist diese Alternative auch in 2022 mindestens aushaltbar. Für die Artists ist sie dank der Reichweite des ESNS Exchange definitiv eine Möglichkeit, sich auch in Pandemie-Zeiten zu entwickeln und zu internationalisieren. Und hoffentlich schöpft die Branche durch Programm und Shows ein bisschen neue Zuversicht und Motivation für die kommenden Monate. Brauchen, werden wir sie mit Sicherheit.