interview Johannes Jacobi
fotos Igor Essling, Mike Freudenthaler, Imke Petersen, Dirk Peter
Nur wenige Meter entfernt von der dänischen Grenze steigt im Zweijahrestakt das Skandaløs Festival und schon beim Betrachten aus der Ferne ist zu erkennen, dass es sich hier um ein doch sehr besonderes Festival handelt. Konzeptionell, visuell und generell, das Skandaløs hebt sich ab und lädt zum Schwärmen ein.
Wir sprachen mit Mitbegründer Dirk Petersen und durften mehr erfahren. Schade eigentlich, dass er die Zeit zu diesem Interview hatte und nicht im Vorbereitungsstress zu einem Skandaløs 2016 steckt…
Hey Dirk, danke dass du dir die Zeit nimmst. Zum Einstieg stell dich doch mal bitte vor. Woher kommst du, wo wohnst du gerade, wie alt bist du und was ist dein Aufgabenfeld beim SKANDALØS?
Moin. Gerne nehme ich mir die Zeit, ich freue mich sehr über eure Arbeit. Ich bin Dirk, 26 Jahre alt und wohne in Hamburg, da komme ich auch her, hab‘s nur von Eimsbüttel nach St.Georg geschafft. Ich gehöre zum kleinen Gründerkreis des Festivals, neben meiner Schwester und zwei sehr guten Freunden. Das bringt dann auch mit sich, dass jeder erstmal alles macht. Im letzten Jahr habe ich mich dann hauptsächlich um die Finanzplanung, das Booking und die äußere Darstellung gekümmert.
Seinen Anfang fand das SKANDALØS in der Ferienwohnung deiner Eltern oder so ähnlich? Wie hat sich das abgespielt?
Im Prinzip schon. Mein Vater kommt aus einer bäuerlichen Familie und hat den Resthof übernommen. Meine Schwester und ich haben dann im Sommer gerne mal Leute eingeladen und kleinere Partys geschmissen. 2009 und 2010 gab es dann das „Nordfriesland Festival“ mit Freunden und Freundesfreunden. Eine kleine Fläche im Kornfeld gemäht, ne kleine aber feine Anlage, Musik aus der Konserve und ein kleines Open-Air Kino, Volleyball und abends Lagerfeuer. Dann gab‘s irgendwann den typischen Moment einer Schnappsidee. Lass‘ doch mal ein Festival draus machen. Und dann hat das irgendwie alles seinen Lauf genommen.
Wer war Anfangs involviert und hat sich das Team zu heute verändert?
Wie bereits erwähnt, waren am Anfang zwei gute Freunde, Simon und Leo und meine Schwester Imke dabei. Aber schon im Lauf der Orga kamen dann noch ein paar Leute dazu. Eine Freundin meiner Schwester hat ein kleinen Kunstbereich aufgebaut. Am Festival selber haben dann zahlreiche Freunde mit angepackt. Aus der GbR, die es damals gab und die finanziell grandios gescheitert ist, entstand dann ein Verein. Viel Familie ist dabei…
Geschwister, Mütter, Väter, Freundeund Leute die dann Freunde geworden sind.
Jetzt haben wir um die 40 Mitglieder, die auch alle mehr oder weniger in der Orga oder Ausgestaltung mitwirken. Wir haben ein Büro, zwei Minijobber und einen 5-köpfigen Vorstand.
Wann kam der Punkt an dem euch klar wurde, dass aus einer Strand-Sause mit Freunden etwas größeres entstehen kann? Und gab es einen Moment wo euch klar wurde, dass es ernst wird?
Ich weiß nicht, ob uns das klar war. Wir wollten es einfach und haben viel Schweiß, Tränen, Trommelfelle und Blut investiert, damit das zu Stande kommen kann. Es gab allerdings von Anfang an großen Rückhalt aus Neukirchen, unserem Veranstaltungsort. Im speziellen durch den Bürgermeister Peter Ewaldsen. Das ist natürlich ein Türöffner am Anfang. Beim ersten Festival haben wir aber auch erst am Tag der Eröffnung gemerkt, dass es ernst wird. Auf einmal waren da Menschen. Viele Menschen. Es ist irgendwie was anderes, die ganze Zeit mit Zahlen und Ideen zu jonglieren und dann stehst du da mit Anfang 20 und 2000 Menschen sind im Prinzip darauf angewiesen, dass man jetzt nicht die ganz großen Böcke gebaut hat. Ich hatte da die Hosen gestrichen voll.
Stand dann irgendwann die Frage im Raum sich zu kommerzialisieren? Genügend Zuspruch als Motivation hat es ja scheinbar gegeben und der Gedanke vom Festivalmachen leben zu können, kommt einem doch bestimmt mal in den Sinn?
Das sind ja erstmal zwei paar Schuhe. Was wir natürlich schon mittlerweile versuchen, ist gut zu wirtschaften. Diese schöne Hippie-Idee, dass Geld total egal ist und wir das Vorhandensein einfach ignorieren, bringt halt nichts. Es ist einfach die Basis, dass so etwas eine Zukunft hat und funktioniert. Also gut wirtschaften wollen wir. Das schließt auch kommerziellen Erfolg ein, aber den Kommerz als Prinzip wollen wir nicht.
Keine Gewinnorientierung als Existenzberechtigung des Festivals.
Es gibt ja mittlerweile auch kleinere Jobs für bestimmte Arbeiten. Das kann dann den Umständen entsprechend auch mehr werden. Natürlich ist die Vorstellung davon Leben zu können eine schöne und warum sollte die Arbeit nicht teilweise bezahlt werden, wenn die Möglichkeit besteht.
Wieso dann der Zweijahrestakt? Warum zwischendurch immer ein Jahr aussetzen?
Man könnte das jetzt als Marketingkonzept oder sonst irgendwas verkaufen. In Wahrheit war das aber nicht unbedingt immer der Plan. Wir haben einfach sehr unerfahren und jung angefangen. Keiner von uns hat etwas in der Richtung gelernt. Am Anfang waren wir ein Student der Kulturwissenschaften, zwei Studenten der sozialen Arbeiten und eine Studentin der Biologie. Da kann man sich mit so was schon mal übernehmen. Wir haben die Zeiten gebraucht um zu verschnaufen, um uns neu aufzustellen, um Geld zu verdienen oder zu studieren. Der positive Effekt ist dann allerdings, dass die Euphorie jedes mal wieder riesengroß ist, man sich weiterentwickeln kann und natürlich wird das Festival so auch zu einer kleinen besonderen, seltenen Perle. Mal schauen, vielleicht schaffen wir ja mal den Sprung auf eine jährliche Veranstaltung.
Wir drücken euch die Daumen, dass das klappt!
Bei euch geht es um mehr als nur Konzerte und Durchfeiern. Was ist das Konzept, wo liegen eure Werte und wie hat sich das im Vergleich zum ersten Festival entwickelt und verändert?
Wir konzentrieren uns bei der Organisation sehr auf das Erlebnis unseres Publikums und gestalten das Festival dann so, wie wir uns ein perfektes Wochenende vorstellen. Das fängt mit dem Platz an. Unser Gelände ist riesig, im Prinzip viel zu groß für die Anzahl an Gästen. Das führt aber dazu, dass jeder immer soviel Platz um sich hat, wie er möchte. Kein Gedränge, kein Stress. Das hat man im Penny am Steindamm, das will ich doch nicht auf einem Festival haben. Auch bei der Musikauswahl achten wir sehr darauf, wer die Musiker sind. Wir orientieren uns weniger an kurzzeitigen Hypes, sondern suchen…
...Künstler die sympathisch sind, Haltung haben und künstlerische Innovation mit sich bringen.
Das kann dann manchmal etwas sehr bodenständiges haben, aber ich glaube, dass wir das sehr feiern. Jedenfalls mehr als Selbstdarstellung. Das nervt und man fühlt sich dann als Gast auch nicht sehr ernst genommen. Wir versuchen also einen Ort für das Wohlsein der Seele zu schaffen, wenn man das so sagen kann. Da gehört dann vielleicht auch dazu, dass man ein bisschen schlafen kann ; )
Das klingt sehr schön und macht Lust auf einen Besuch bei euch!
Beim Betrachten eurer Website oder der Videos wird auch schon schnell klar, dass es euch um’s Gesamtbild geht. Wer ist für das Visuelle zuständig und wie sehr geht das Hand in Hand mit der Ausrichtung des Festivals?
Da sind mehrere Menschen daran beteiligt. Ein Teammitglied, Sophia, studiert Animation und sie hat in Zusammenarbeit mit meiner Schwester Imke in aufwändiger Arbeit diese Vögel gebastelt. Die sogenannten Aftermovies machen seid Tag 1 die Jungs von flapp. Ich versuche da dann ein Gesamtkonzept daraus zu machen. Das Design der Seite habe ich entwickelt und die Trailer sind auch unter meiner Regie gelaufen. Bei unserer neuesten Veranstaltung Stranden waren dann ganz andere Leute am Werk. Nikoline, Janis und Karsten. Da beteiligen sich dann aber natürlich auch immer die Leute daran, die Lust und Zeit haben. Letztendlich ist ja das ganze Festival für uns eine Spielwiese, in der sich jeder ausprobieren kann. Wir haben einfach einige Leute, die sich für so was interessieren, inklusive mir und dann wird sich da halt ausprobiert. Der Effekt ist dann, dass man sowohl intern, für das Team, als auch für das Publikum eine Idee visualisieren kann, unter der sich dann alle verständigen und vereinigen können. Das hilft enorm dabei, dass alle an dem gleichen Strang ziehen.
Bei euch hat Ben Howard noch vor 2.000 Menschen gespielt. Zur richtigen Zeit an richtiger Stelle nachgefragt, oder wie ist das passiert?
Ja im Prinzip kann man das so sagen. Er hat in Hamburg als Vorband für Xavier Rudd gespielt. Ich hab den damals gar nicht gesehen, aber ein Bekannter ist nur wegen Ben Howard hingegangen und kannte Xavier Rudd gar nicht. Wir haben dann die Musik gehört und waren verliebt. Das hat dann alles aber sehr lange gedauert. Er war selber in der Umbruchphase und hatte einen Agenturwechsel, was mit viel Chaos verbunden war. Irgendwann hatte ein Freund von ihm das Management übernommen und der war sehr angefixt von der Idee. Es war damals ja auch für die ganze Band die erste Headline-Show im Ausland.
Wie geht ihr allgemein an das musikalische Booking heran? Gibt es eine bestimmte Richtung, die strikt eingehalten werden soll?
Wir mögen es bunt, authentisch, leidenschaftlich und selbstgemacht und qualitativ hochwertig. Ansonsten setzt sich das Booking natürlich auch aus dem Team zusammen. Obwohl León, Felix und ich das geleitet haben, nehmen wir natürlich Wünsche und Hinweise der Anderen auf. Dadurch sind dann verschiedenste Geschmäcker vertreten. Natürlich halten wir auch immer den Markt im Auge, um spannendes Neues zu entdecken. In der Programmplanung versuchen wir dann sehr auf eine Dramaturgie zu achten, also, dass eine Band oder ein Dj zu genau der richtigen Zeit am richtigen Ort spielt, die Stimmung auffängt und weiterentwickelt. Das ist zum Glück möglich, da unsere Gäste wegen unser kleinen Größe im Prinzip alles erleben können.
Gibt es für dich persönlich eine Geschichte, die du immer wieder erzählst, wenn du nach deinen Eindrücken vom Festival gefragt wirst?
Da gibt es unzählige. Die Festivalzeit ist eine sehr intensive Zeit, es wird viel gelacht, es gibt Tränen, Höhenflüge und tiefe Stürze kommen da im Minutentakt. Doof ist auf jeden Fall eine Situation 2011 gewesen…
Du denkst jemand ist im See ertrunken...
…weil Kleidung am Rand entdeckt wurde. DRK will einen Helikopter rufen, du musst auf die Bühne die Musik unterbrechen und fragen, ob diese Person noch da ist und kriegst 2 Stunden keine Antwort.
Letztes Jahr hatte ich dann das erste mal wirklich die Gelegenheit mir ein bisschen Zeit zu nehmen. Ich konnte dann ein paar Künstler sehen oder bei uns auf dem Bürocontainer mit ein paar Freunden das Treiben bestaunen. Das war schon ein sehr glücklicher Augenblick.
2016 gibt es kein Festival, aber ihr seid in andere Geschichten verwickelt. Was kannst du uns dazu erzählen?
Wir werden ein kleines eintägiges Festival im Hafenmuseum Hamburg am 16.7. veranstalten. Wir haben da ein sehr schönes Line-Up gebastelt und es gibt auch ausgehend von dem sehr gut angenommen Besuch von Rüdiger Nehberg beim letzten Festival, was für den Kopf. Das wird auf jeden Fall richtig gut. Ist ein bisschen mehr einem städtischen Publikum angepasst, etwas Elektro-lastiger.
Beim Habitat Festival Ende Juli bei Itzehoe werden wir eine Bühne mit Live-Musik stellen, die aus unserem Team heraus kuratiert wird. Wir denken, dass Kooperationen unter kleinen Festivals sehr fruchtbar sein können und probieren das nun zum ersten Mal aus. Es wird eine spannende Mischung werden, da wir unterschiedliche künstlerische Konzepte haben, die wir für ein Wochenende zusammenführen. Wir denken, daraus ergeben sich neue Horizonte und eine besondere Atmosphäre für die Besucher_innen.
Wird es 2017 ein SKANDALØS geben und wenn ja, in welchen Bereichen läuft die Planung bereits und was können wir erwarten?
Viel kann ich da leider noch nicht drüber erzählen. Wir führen bereits erste Gespräche und hoffen, dass es ein SKANDALØS 2017 geben wird. In 1-2 Monaten wissen wir mehr!
Vielen Dank für das Interview. Wir freuen uns darauf endlich mal selbst dabei zu sein!
Alle Infos zum Skandaløs Festival gibt es hier: skandaloes-festival.de
Folgt dem Skandaløs Festival auf FB: facebook.com/skandaloes.festival