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Das Gefühl, am richtigen Ort zu sein:

Erinnerungen vom Maifeld Derby 2017


 
 

text Johannes Jacobi
redaktion Johannes Jacobi
fotos Dominik Wagner & Sascha Krautz

Seit ein paar Jahren schon ist der deutsche Festivalsommer bis an die Grenzen des Wahnwitzes gefüllt. Es gibt Wochenenden mit mehr als 30 relevanten Musikfestivals zur selben Zeit – Stadtfeste und Schlager Open Airs nicht mit eingerechnet. Ein ausreichend großes Publikum zu ziehen und im besten Falle zu binden, scheint da ein Kunststück für sich. Es sei denn natürlich, man hat ein Line-Up mit Alleinstellungsmerkmal. Ein Line-Up mit Leckerbissen und Exoten, so spannend, dass sogar die tageslichtscheuesten Musiknerds aus ihren Löchern gekrochen kommen.

 

So der Fall beim Maifeld Derby in Mannheim. Das Festival mit täglich ca. 5.000 Besuchern hat schon seit geraumer Zeit einen sehr guten Ruf innerhalb der Musikbranche und zieht u.a. aus diesem Grund ein paar Acts an, an denen sich andere Veranstalter über Jahre hinweg die Zähne ausbeißen.

Aber nicht nur innerhalb der Branche macht das Festival von sich reden – ein Beweis dafür ist, dass das Maifeld Derby dieses Jahr erstmals einen der drei Tage ausverkaufen konnte. Das wird in der Zukunft wohl keine Ausnahme bleiben, denn das erstmals komplett regenfreie Festival wird für viele der Anwesenden erneut zum musikalischen Höhepunkt der Saison gehören.

Ein weiterer Punkt der sowohl von Musikern als auch Musikliebhabern zu Recht oft wertschätzend erwähnt wird, ist die Gesamtproduktion. Freitag anfangs vielleicht noch ein klein wenig zu viel Bass, bekommt man schnell die Kurve und es wird schon früh klar, dass hier viel Wert auf Qualität gelegt wird.

Sowohl die Lichtanlagen als auch die Soundqualität liegen fast ausnahmslos über dem Standard hierzulande und generell wirkt die komplette Produktion einen zacken schärfer als bei Festivals ähnlicher Größenordnung.

Auf ganz andere Art wiederum überrascht der Campingplatz. Freitagnachmittag ist der wirklich kleine Platz nämlich schon randvoll und Spätankömmlinge müssen auf den Wohnmobil Parkplatz ausweichen. Etwas ärgerlich für alle ohne Presslufthammer, denn Heringe lassen sich nur sehr mühsam in Kiesboden verankern. Der guten Laune tut dies allerdings kaum Abbruch: Es geht für einen Festival-Campingplatz ungewohnt entspannt zu, es ist fast schon still. Über das Wochenende hinweg gibt es zwar hier und da die üblichen Flunkyball Spiele, aber grundsätzlich ist dieser Campingplatz eher ein ruhiger Rückzugsort. Vereinzelte Besucher lassen gar ihre Zelte das gesamte Wochenende offen stehen und ihr Hab und Gut davor liegen. Das Vertrauen in die Nachbarschaft ist groß, ein bisschen wie der perfekte Kleingartenverein. Ein Kleingartenverein mit überdurchschnittlich vielen Tagesbesuchern…


Tolle Rückzugsorte sind im Übrigen auch die sanitären Anlagen. Selten bis nie macht der Gang zur Toilette auf Festivals so viel Freude wie hier. Kaum Wartezeiten, blitzsauber, immer in der Nähe – hier verpasst niemand Konzerte wegen Harndrang.

Etwas nervig wiederum ist der Gang zum Tauschbüro – denn mit Bargeld kommt man auf dem Gelände nicht weit. „Derby Dollar“ oder nix da. Zwar ist man bargeldloses Bezahlen inzwischen schon gewohnt, aber so kleine Schnipsel sind doch weniger praktisch als die Geldkarte, Chip oder eben Bargeld. Hier handelt es sich aber um Jammern auf hohem Niveau, der Tauschvorgang dauert meist nur wenige Minuten und Warteschlangen gibt es immer nur kurz nach Geländeöffnung.

Einmal ausgestattet mit den Dollars, gibt es Speis & Trank von fast ausschließlich lokalen Anbietern. Auch das ist etwas, das sich die Veranstalter auf die Fahne schreiben und das hier gut funktioniert. Keine Schlangen, lecker Essen, gute Musik…

…ja, was ist eigentlich mit der Musik?
Musik gibt es hier auf vier Bühnen. Eine ordentliche Open Air Bühne, ein riesen Zelt das auch für die Headliner funktioniert, ein kleines Zelt mit interessanten Visuals vom Tageslichtprojektor und durchgehend spannenden Acts und zu guter Letzt Parcours d’amour – eine kleine schnuckelige Stage vor der Tribüne des Reitstadions. Vor dieser gibt es aufgrund der überdachten Tribüne auch schön viel Schatten und bequeme Sitzplätze. Der perfekte Ort zum Ausruhen und Genießen.


Ausgeruht und recht gemütlich wird beim Maifeld Derby auch in den Tag gestartet. Lokale Bands begrüßen gegen Mittag das langsam eintrudelnde Publikum, bis es dann gegen Abend hin etwas hektischer wird. Hektisch, weil es ganz schön was zu tun gibt für Freunde des guten Geschmacks. Während sich nämlich bei den meisten deutschen Festivals die Line-Ups sehr ähneln und man dieselben Acts Woche für Woche nur vor einer anderen Bühne sehen kann, gibt es in Mannheim eine Anhäufung von Leckerbissen, die eher an ein Primavera Sound oder Roskilde Festival erinnern. Why?, Slowdive, Amanda Palmer & Edward Ka-Spel, Spoon, Trentemoller, Primal Scream und noch einige mehr sind Acts, die man nicht alle Tage so auf einem Haufen zu sehen bekommt. Das alles natürlich garniert mit Moderat, Metronomy und Bilderbuch. Wie gesagt, man hat zu tun.


Das Gefühl, am richtigen Ort für Musik, generell am richtigen Ort zu sein, setzt hier schon sehr früh ein. Nicht nur für Musikliebhaber, auch für alle anderen, die ihren Weg nach Mannheim gefunden haben. Während zum Beispiel Metronomy gerade das große Zelt in seine Einzelteile zerspielt, zelebriert eine Großfamilie auf dem ansonsten komplett ausgestorbenen Zeltplatz ihren Grillabend, als wäre dies der Höhepunkt des jährlichen Campingurlaubes in Parkplatznähe.

Vielleicht aber dient der Grillabend auch nur zur Stärkung für Kate Tempest, die danach sowohl die Fackelbühne selbst zum Wackeln bringt, als auch die Münder sämtlicher Anwesenden offen stehen lässt. Nur damit im direkten Anschluss dann Moderat das große Palastzelt erstmals an die Kapazitätsgrenze bringen können und Acid Arab zum Feierabend nochmal zum endlosen Tanzbeinschwingen einladen, während GEWALT nebenan im kleinen Zelt einen völlig anderen, anstößigen, genialen Abschluss des Samstags bieten.

Ungewohnt vielleicht, dass danach um 3 Uhr die Musik komplett ausgeht – aber hier geht es eben auch nicht ums Durchfeiern, sondern um das Musikhören. Ein bisschen Schlaf schadet sowieso nicht, denn um 12:30 Uhr wird der Sonntag schon von King Kahn and the Shrines eröffnet. So schnell kann es gehen hier beim Derby.

Eine Aneinanderreihung von musikalischen Höhepunkten wie man es sich besser kaum ausdenken könnte. Genau das ist das Maifeld Derby und genau das macht es einzigartig.

Klar, da gibt es noch die Steckenpferd-Dressur, die Fuckup Nights und weitere Spektakel am Rande – aber auch ohne alle Extras würde das Maifeld Derby aus dem Festival-Einheitsbrei hierzulande herausstechen.

Wir sind dankbar dafür, sind neugierig auf die Zukunft und das Line-Up 2018 und wir kommen wieder. Hier wird viel richtig gemacht und wir freuen uns, dabei zu sein! Danke Maifeld Derby.