Von oben gesehen nur ein kleiner Fleck zwischen Wald und Wiese, am Boden ein Ort, an dem sich Newcomer aus ganz Berlin und Brandenburg austoben können: auf der Parkbühne Berlin-Biesdorf steigt am 12. & 13. Juli das Rock im Grünen, ein Umsonst & Draußen und auch das Bier ist gar nicht mal so teuer.
text Celina Riedl
redaktion Jonas Rogge
fotos Rüdiger Arndt, Martin Weinert, Maik Sündram
Zum 22. Mal sorgen die Veranstalter des Rock im Grünen e.V. nun schon für ordentlich Krach im Berliner Osten und das mit einer großen Portion Leidenschaft, denn das ganze Team arbeitet ehrenamtlich. Wir haben mit Maik gesprochen, der im Verein für das Sponsoring verantwortlich ist.
Wir wollen Newcomer aus der Metropolregion Berlin-Brandenburg fördern.
Maik – stell dich doch mal kurz vor!
Ich bin der Maik von Rock im Grünen, bin 30 Jahre alt und seit 2009 Vereinsmitglied. Wir machen in Berlin ein sehr großes Newcomerprojekt. Das heißt, wir wollen Newcomer aus der Metropolregion Berlin-Brandenburg fördern. Die dürfen sich bei uns über den Jahreswechsel bewerben, wir hören die ganzen Bewerbungen durch und stellen daraus ein Line-Up zusammen, damit wir denen einen ersten großen Open Air Auftritt geben können. Dazu haben wir in Berlin-Biesdorf sozusagen die Wuhlheide in klein, es passen so etwa tausend Menschen rein.
Wie läuft die Planung bei euch ab? Seid ihr schon in der heißen Phase?
Wir versuchen uns als Verein das ganze Jahr über noch andere Projekte anzulachen - also zum Beispiel zur Fête de la Musique etwas auf die Beine zu stellen. Gerade konzentrieren wir uns aber aufs Hauptprojekt, also auf die zwei Tage, an denen das Festival stattfindet – plus einen Tag vorher und einen Tag hinterher, für den Auf- und Abbau. An sich beginnt die heiße Phase jetzt langsam.
Für die Bewerbungen haben wir eine ganz schlaue Lösung: Ein Masterstudiengang der Beuth-Hochschule hat für uns als Masterarbeit eine App entwickelt, mit der wir die Bewerbungen alle digital abwickeln können, damit wir nicht mehr 500 Briefe und Pakete bekommen. Und so konnten sich die Bands bis zum 28. Februar bewerben - samt Facebook-Link, Songs, Pressetexten, Bildern, kurzer Bandbeschreibung und so weiter. Wir haben das dann später alles in der App und können einfach Sterne vergeben und sagen: “Hey, die klingen cool, die kommen weiter.” Danach machen wir immer wieder Auswahlrunden und am Ende bleiben dann zehn Bands plus zwei Headliner, die wir extra noch dazu holen.
Wie definiert ihr Newcomer? Geht das überhaupt?
Es ist total schwierig. Man kann Newcomer am Alter ausmachen – da werde ich aber auch immer wieder gefragt: “Ihr habt ja hier ´ne Altrockband, was soll das denn?” Aber die gibts vielleicht erst seit einem Jahr, obwohl die Musiker*innen halt schon 60 sind. Sind das jetzt Newcomer – oder nicht? Man kann auch sagen, wir definieren das darüber, wie lange es die Band schon gibt. Wir würden natürlich auch eine Schulband hinstellen, wenn man merkt, die haben Potenzial, die haben Bock – ja klar, warum nicht. Es gibt Bands, die haben vielleicht schon ein Booking und wenn das passt – wir zahlen denen ja nichts – dann nehmen wir auch mal Bands, die eben schon 10.000 Likes auf Facebook haben.
Aber manchmal spielt dann eben doch ‘ne Schulband statt so ‘ner Band, weil die musikalisch einfach besser sind.
Die Newcomer kommen aus dem Raum Berlin Brandenburg. Bleibt ihr bei euren Headlinern auch regional oder schaut ihr da auch mal über die Landesgrenzen hinaus?
An sich ist es immer schön, wenn man Kontakte zu internationalen Künstler*innenn hat – letztes Jahr hatten wir die Band degreed aus Schweden, weil es da Kontakte gab, von einem Vereinsmitglied, aber das ist natürlich schon ein bisschen Luxus. Wir sind eigentlich total offen, wie es halt passt – vor allem finanziell. Letztes Jahr hatten wir eben degreed und Blond, die haben wir günstig im letzten Moment noch als Headliner holen können.
Letztes Jahr war es wirklich bombastisch mit 30 Grad im Schatten und die Sonne ging schon gar nicht mehr unter.
Non-Profit Festival, keine Eintrittspreise, und dann auch noch bezahlbares Bier – wie stemmt ihr das als Verein?
Wir können froh sein, wenn wir ein Viertel unserer Ausgaben durch Sponsoring zusammen kriegen. Das ist das eine. Der andere große Topf sind Spenden, da ja niemand Eintritt zahlt, sind die meisten auch schon bereit ‘nen 10er oder ‘nen 20er dazu zu geben. Das Hauptthema ist aber wirklich der Verkauf von Speisen und Getränken vor Ort. Die Getränke sind jetzt nicht übertrieben teuer, ein Bier kostet 2,50 und die Bratwurst ein, zwei Euro. Durch den freien Eintritt versuchen wir auch immer möglichst viele Leute dazu zu bewegen, zu uns zu kommen und sich darauf einzulassen. Das ist aber natürlich immer wetterabhängig. Letztes Jahr war es wirklich bombastisch mit 30 Grad im Schatten und die Sonne ging schon gar nicht mehr unter. Das war super, da lief das Bier natürlich in Strömen. Aber wenn man sich jetzt 2017 anguckt, da kam am Samstag von Spandau ‘ne böse Regenwolke, sodass wir dann einen Meter hoch Wasser im Bühnengraben hatten, mit Stromausfall und allem drum und dran. Da waren wir froh, dass wir noch zwei, drei Stunden spielen konnten. Besucher*innen kamen dann natürlich auch erst mal keine nach. Die waren froh, dass sie im Trockenen waren.
Kann man ohne Ticketvorverkauf die Zahl an Besucher*innen planen?
Das ist wirklich total schwierig. Die Facebook Veranstaltung oder Instagram helfen nur ein bisschen, herauszufühlen, wie viele Leute kommen. Ich habe schon das Gefühl, dass bei den Facebook-Veranstaltungen von Jahr zu Jahr mehr Leute gewillt sind zu klicken: “Ja, ich komm, ich interessiere mich dafür.” Das schlägt sich auch vor Ort so nieder. Wir haben auch den Moment immer mal wieder, in dem wir sagen müssen, dass nur 1000 Leute aufs Gelände passen und Besucher*innen kurz warten müssen, bis ein paar Leute wieder raus kommen.
Woher kam die Idee fürs Rock im Grünen?
Tatsächlich von Jugendlichen aus der katholischen Kirche in Marzahn-Hellersdorf. Die haben 1997 gesagt, lass doch mal ein eigenes Festival machen! So ist das entstanden, damals noch nur an einem Tag. Das Plakat von ’97 sah auch total witzig aus, wie ein Ortseingangsschild. Dann ist das Rock im Grünen immer weiter gewachsen, sodass man zehn Jahre später gesagt hat, dass man es auf zwei Tage ausweitet und es musikalisch aufteilt: Freitag Urban Sound, also Hip Hop, Reggae, Ska, und Samstag Finest Rock, also Metal, Rock und Alternative. Und der Eintritt wird eben frei. Das hat sich so durchgesetzt. Seitdem kommen auch, peu á peu, immer mehr Leute.
Du bist seit 10 Jahren als ehrenamtlicher Helfer mit bei Rock im Grünen dabei. Was macht das Festival für dich so besonders?
Rock im Grünen bedeutet für mich Jugendkultur im kulturschwachen Raum – in Ostberlin gibts viel, da gibts das Berghain, da gibts die Warschauer Straße, die ganzen Clubs und Bars. Aber wenn man mal weiter nach draußen fährt, nach Marzahn-Hellersdorf, da gibts dann nur noch Plattenbau, wie man das Klischee halt kennt. Aber es gibt viel Grün dort und wir versuchen dort ein i-Tüpfelchen zu setzen und anzubieten: Hier ist Kultur – kostenfrei – und wenn jemand Bock hat, sich dort das ganze Jahr zu engagieren, kann er das auch machen.
Außerdem ist es einfach ein kleines, charmantes Familienfestival. Von jung bis alt kann man sich berieseln lassen, wie man Bock drauf hat.
Das Besondere ist, dass bei uns alles bestuhlt ist, das kann man jetzt als Vorteil oder Nachteil sehen. Wir wollen natürlich auch, dass die Leute vor der Bühne stehen und tanzen, das dauert aber einfach immer ein bisschen, bis sich das entwickelt.
Aber bei uns kann man sich eben auch mal hinsetzen. Camping gibts bei uns leider nicht – dadurch, dass das eine geschützte Parkanlage ist, haben wir da gar nicht die Möglichkeiten dazu.
Gibts noch Luft nach oben beim Rock im Grünen? Was würdest Du dir für die nächsten Festivals wünschen?
Wenn es mal ‘ne Band gibt, bei der man sagen könnte: Vor fünf Jahren, da waren die noch unbekannt, da haben die mal bei uns gespielt. Dass man wirklich sieht, ja krass, die sind richtig am durchstarten, aber waren mal bei uns. Das wär wirklich cool.
Bisher veröffentlichtes Line-Up:
The Weight · Arsen · Boba Cat
Bonesetter · Alphaomega
Finding Kelly Fornia · Bubba Ho-Tep