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Der Rote Faden:

Interview mit Timo Kumpf vom Maifeld Derby


 
 

text Johannes Jacobi
redaktion Tina Huynh-Le
fotos Sascha Krautz, Dominik Wagner

Als Veranstalter des Mannheimer Maifeld Derbys und Mitglied von Get Well Soon genießt Timo Kumpf über die Landesgrenzen hinaus einen Ruf, mit dem es sich ganz offensichtlich gut arbeiten lässt. Als Beleg dafür steht ein jährlich schwer beeindruckendes Line-Up, gespickt mit großen und kleinen Namen, die anderswo selten bis gar nicht in solch Fülle zu finden sind.

 

Wie es dazu kam und wie das Maifeld Derby 2017 aus Veranstalter- und Bookingsicht verlief, hat uns Timo am letzten Tag des Derbys bei einer Brause in der Sonne erzählt.

Hallo Timo, stell dich doch bitte ganz kurz vor.
Hey. Timo Kumpf, 36, Mannheim.

Wann ging es für dich los bzw. wann entstand die Idee fürs Maifeld Derby?
Ich glaub‘, mein erstes Konzert habe ich mit 16 veranstaltet. Also ganz klassisch das erste Konzert für die eigene Band damals. Seitdem hat sich das durch mein Leben gezogen.

Gab es in der Vorbereitung für dieses Jahr einen Moment für dich, der besonders scheiße war?
Da ist immer ein großes Hin und Her mit dem ganzen Bookingzeug. Da bin ich jetzt aber auch wieder drüber hinweg. Z.B. der Freitag gestern hat sich erst relativ spät entwickelt, der sah eine Weile ganz anders aus. Ist halt immer ärgerlich, wenn man sich fast sicher ist, diesen oder jenen Act zu haben und dann springt er doch noch ab, weil er merkt, dass er auf eine Hochzeit oder so muss. Da fängt man dann wieder von vorne an. Ich hab’ trotzdem noch nie so beiläufig das Programm zusammengestellt wie dieses Jahr. Es war sehr intuitiv, ohne großartig abwägen zu müssen.

Also bist du happy mit dem Line-Up?
Auf jeden Fall! Wenn es denn soweit ist, hat man auch schon wieder vergessen, wen man vielleicht noch gern gehabt hätte. Die kommen dann aber vielleicht beim nächsten Mal.

Zufrieden bin ich dann, wenn wir innerhalb von 24 Stunden ausverkauft sind, ohne eine Band announced zu haben.

Was war gestern deine größte Baustelle?
Im Verhältnis zu den letzten Jahren gab es eigentlich keine große Baustelle. Wir hatten den lockersten Freitag aller Zeiten. Es gab auch schon Freitage, da bin ich nachts um Zwei nach der letzten Band rein und hab’ gemerkt, dass ich den ganzen Tag über keinen einzigen Bissen gegessen habe. Sonst hatte ich auch nie Zeit für Mails und gestern ging das auf einmal. Ich hatte aber auch vergessen die info@-Adresse und auch die Facebookzugangsdaten jemand anderem zu geben.
Fragen wie: „Kann ich denn Taschen mit reinnehmen?“, habe ich die ganze Zeit zwischendrin beantwortet.

War das eigentlich ein Thema bei euch?
Nö, bei uns war das größte Thema die Evakuierung wegen Wetter. Das ist aber auch berechtigt, da die Ecke hier schon sehr windanfällig ist und wir letztes Jahr schon ein starkes Unwetter hatten.

Habt ihr da nicht auch die Leute evakuiert?
Genau, da haben wir sie tagsüber ins Zelt evakuiert und die Camper nachts in die Halle. Dieses Mal wären wir da noch besser vorbereitet gewesen.

Steht für dich noch irgendetwas an, wo du dir noch nicht sicher bist, ob es klappt?
Es gibt ja immer Kleinigkeiten. Kriegen wir noch genug Wasser? Also wenn die Sonne jetzt noch mal richtig aufgeht. Wir haben palettenweise Getränke da, aber kann ja trotzdem mal passieren. Es geht uns ja jetzt schon die ein oder andere Sorte Limo aus. Das liegt aber auch daran, dass wir mit vielen Partnern arbeiten und wir z.B. den Bierspäti haben, der 20 verschiedene Flaschenbiere hat. Ich glaube, noch sind alle da, aber da wird auch sicherlich mal eins leer gehen.

Was denkst du, warum seid ihr jetzt erst ausverkauft? Das Line-Up war doch schon immer top.
Ich hab’ offen gesagt echt keine Ahnung. Ich glaube, dass unser Publikum langsam gewachsen ist. Dadurch haben wir auch ein sehr angenehmes und interessiertes Publikum, was ich als sehr besonders empfinde und auch sehr schätze.

Das ist uns auch aufgefallen.
Und lieber so, als im zweiten Jahr dann die eine angesagte Band gebucht zu haben und direkt ausverkauft zu sein, weil man sich über den einen Act definiert. Selbst wenn jetzt mal Moderat oder wie damals The National raussticht, glaube ich doch, dass es das Gesamtding ist, was die Leute zu uns bringt. Normalerweise wäre meine Standardantwort: „Zufrieden bin ich dann, wenn wir innerhalb von 24 Stunden ausverkauft sind, ohne eine Band announced zu haben“. Es geht ja bei anderen auch.

Vorstellbar, dass es in die Richtung geht. Es ist auch auffällig ruhig auf dem Zeltplatz. Fast komplett ohne Saufspiele. Es wirkt eher wie ein Publikum mit Bock auf gute Musik und fertig.
Da hatten wir nur einmal Stress mit Helfern damals, haha. Kumpels von mir aus der Heimat, die meinten, dass zu einem Campingplatz auch eine Trommel gehört. Das kennt man ja von größeren Festivals, da ist immer irgendwo ein Arsch mit einer Trommel unterwegs. Bei uns waren es leider meine Kumpels.


Im ersten Jahr haben mir ganz, ganz viele Leute vorgeworfen, dass hier der rote Faden fehlt.

Wie ist denn das Maifeld Derby heute im Vergleich zu dem, was du dir damals vorgestellt hast?
Bei mir stand anfangs weniger auf dem Zettel, dass man der Zeit vielleicht auch ein wenig voraus ist. Neue Bands und neue Musik zu präsentieren, war weniger der Anspruch. Es ging eher darum, ein breites Spektrum zu präsentieren, was ja auch jetzt immer noch so ist. Ich weiß noch, im ersten Jahr haben mir ganz, ganz viele Leute vorgeworfen, dass hier der rote Faden fehlt, was ich nie so ganz verstanden habe. Inzwischen hat es sich ein wenig etabliert und die Qualität ist der roten Faden. Das ist inspiriert durch ein paar Erlebnisse mit Get Well Soon (Anm. d. Red.: Timo spielt den Bass bei Get Well Soon). Da haben wir in Frankreich auf einem Festival gespielt und nach uns war dann eine japanische postapokalyptische Metalband und vorher ein französischer Rapper und es hat einfach alles funktioniert.
Ich fände es auch langweilig, wenn ich zu Hause nur Deathmetal oder nur Soul oder Pop hören würde. Ich höre einfach gern viel unterschiedliche Musik und finde es dann auch wichtig, das alles hier zu haben. Also früher, klar, mit 15 auf einem Metalfestival, wo eben nur Metal war, da war das OK, aber das hat mich dann irgendwann genervt. Dann war ich auf dem Southside, da hat mich dann genervt, dass da zu wenig Metal war, haha. Es geht halt immer um die Mischung und ich würde das auch gern noch mehr ausreizen. Es muss einfach passen. Irgendwo ein kleines Elektronikzelt zu haben, fände ich auch spannend, da fehlt dann aber die Kapazität dazu.

Ist es nicht auch geil, dass es gerade das nicht gibt. Das findest du ja echt auf jedem Festival.
Es wäre ja auch nicht eins, wie es das auf jedem Festival gibt. Ich habe ja jetzt meine 4 Bühnen hier und es gibt dann schon ab und zu noch Acts, die auf keine Bühne passen. Flume hat z.B. als Headliner super funktioniert. Den hätte ich aber nicht mittags auf die Bühne stellen können, das wäre vollkommener Quatsch. Da hätte mir wiederum die Bühne gefehlt. Aber jemand wie ihn in einem früheren Stadium auf die Bühne zu stellen, dafür würde uns eben noch die Bühne fehlen. Aber gut, wir haben ja 4 Bühnen, es gab auch schon mal 5 mit der Aftershowparty und irgendwann ist ja auch mal gut.

Hast du noch Zeit für zwei Fragen?
Ach, ich bin gerade eigentlich ganz gechillt, ich würde dir auch noch zwanzig beantworten.

Was im vergleich zu anderen Festivals in der Größe aufgefallen ist, dass ihr eine krasse Produktion habt. Die Bühnen sind teils besser ausgestattet und die Bands sind auch größer. Wie kriegst du das hin und wie ist das überhaupt finanziell möglich?
Da gibt es mittlerweile mehrere Perspektiven. Es hat hier noch nie jemand Geld verdient, also es steckt hier sowohl viel Arbeit als auch viel Geld drin. Das versuchen wir aber gerade irgendwie zu drehen. Wäre natürlich schön zumindest mal seine Arbeitszeit bezahlt zu bekommen. Das ist aber eben der Punkt, wir haben viele Freiwillige.
Ein weiterer Faktor ist aber auch, dass wir uns ein gutes Standing erarbeitet haben. Wieso hat z.B. The National bei uns gespielt im vierten Jahr? Ich hab’ erst danach mitbekommen, dass sie bereit waren, für eine Gage zu spielen, die unserer Größe angepasst war. Das war definitiv keine Sache, die über Geld funktioniert hat. Ich hab’ da mal die Wege zurückverfolgt und das ging über das Management, ich glaube in New York, dann über London und am Ende landete es beim Label, wovon wiederum einer im Vorjahr hier war. Es ist also mehr über Empfehlungen passiert und ich glaube, da passiert mittlerweile recht viel. Es gibt Tourmanager, die sind jetzt mit ihrer dritten Band hier. Temples z.B. ist auch zum zweiten Mal hier. Die sagen das ja auch weiter und dann haben sie ja auch wieder Bock drauf, weil sie sich in dem Umfeld wohlfühlen.
So passiert das glaube ich mit den Bands.
Natürlich müssen wir auch konkurrieren was Gagen betrifft, aber wir kriegen die krassen Bands jetzt nicht, weil wir so viel Geld hinlegen, das auf keinen Fall.

Die Produktion macht Session Pro, die sind hier aus der Gegend. Die haben damals direkt mit Großinvestoren angefangen und wir waren dann das erste Festival für die. Insofern besteht da dann auch eine Verbindung, die über die Jahre immer besser wurde. Das ist ein riesen Vorteil.
Das war mir auch immer wichtig als Besucher. Du kommst auf ein Festival, dann muss der Sound stimmen, das Essen muss stimmen und der Rest ist dann erstmal egal. Zusätzlich haben wir, um das Maifeld Derby ein bisschen zu unterstützen, das Zeltfestival gegründet. Das heißt, wir nutzen unser Zelt und die Infrastruktur für mehrere Konzerte. Letzten Mittwoch waren es z.B. Fury in the Slaughterhouse, dann Fat Freddys Drop und nächste Woche kommt dann Helge Schneider und Doro & Hammerfall. Das bedeutet für uns, dass wir den Scheiß nur einmal aufbauen müssen. Das spart bzw. verteilt die Kosten dann auf verschiedene Schultern. Dadurch sind wir dann als Festival auch ein wenig entlastet.

Ohne immer eine Schublade aufzumachen...

Es ist auch auffällig, dass hier immer wieder Bands dabei sind, die man sonst nirgendwo sehen kann.
Absolut. Spoon z.B. wüsste ich nicht, dass die jemals ein deutsches Festival gespielt haben. Da steht das Management von den Red Hot Chili Peppers und noch irgendetwas riesigem hinter. Die sagen dann „Maifield Derby?“ und winken erstmal ab.
Dann gibt es aber hier in Deutschland wiederum Leute, die sich dafür einsetzen und sagen „Hey, das müsst ihr machen, da ist euer Publikum und dadurch kommt ihr dann auch in Deutschland an“. Das ist mittlerweile ein Effekt, den es schon echt oft gibt.
Das Primavera Anfang Juni zieht natürlich auch viele Bands und das wird ja dann oft mit 2-3 Wochen Touren in Europa verbunden. Da sind wir dann meistens schon eine feste Tourstation.

Gibt es für dich eine persönliche Inspiration im Festivalbereich oder gibt es ein Festival, wo du unbedingt so oft wie möglich hin musst?
Ich mag Festivals in Frankreich, die sind kuratierter und fester in ihrem Programm. Natürlich hatte ich auch mal eine Zeit, wo ich viel zu Majorfestivals gefahren bin mit 20 Kumpels und war jedes Mal wieder begeistert. Das wurde aber irgendwann langweilig.
Es gibt jetzt aber kein Festival wo ich sage, dass das mein großes Vorbild ist. Aber klar guckt man auch mal, wer auf dem Primavera spielt. Was ich aber auch seit einiger Zeit beobachte, ist das Dour Festival in Belgien oder Roskilde. Da sind wir von der Bühne, dann spielt auf der nächsten Bühne Neurosis und dann Madness. Diese Mischung, das ist spannend. Ohne immer eine Schublade aufzumachen, dann ist man da drin und dann gibt es da auch nichts anderes.

dieses Ding unter den Agenten, dass ihre Band vor der anderen stehen muss...

Roskilde wäre auch mein Vergleich gewesen vom Publikum. Das Publikum ist bereit, überall mitzuziehen, immer mit einem hohen Anspruch an den Sound.
Find‘ ich einen guten Vergleich, mit dem kann ich leben. Ich war aber auch nur einmal da. Aber natürlich beobachte ich das Programm. Dann hast du da auf einmal einen bootyshaker Headliner und dann noch eine Metal-Combo dazu.

Man kann das Publikum auch mal fordern und auch im Headliner Bereich mehr probieren?
Ich weiß nicht mit dieser Headlinersache. Das sind natürlich die Bands, die am meisten Tickets verkaufen, aber letztlich müssen die genauso reinpassen wie alle anderen auch. Vom Namen her gibt es meistens einen Mainact, aber ich fänd’s falsch diesem alles unterzuordnen. Cigarettes after Sex waren gestern Co-Headliner vor Bilderbuch und Trentemøller dann danach. Da geht es doch eher um die Dramaturgie als darum, wer den längeren hat.

Aber in der Kommunikation mit dem Publikum ist es ja trotzdem relevant.
Klar, und es gibt auch immer mehr dieses Ding unter den Agenten, dass ihre Band vor der anderen stehen muss etc. Da frage ich mich immer, ob wir wirklich über so etwas diskutieren müssen. Wenn ich ein Festival mache, das Risiko trage und eine Gage zahle, dann will ich den Slot so programmieren, wie ich ihn für sinnvoll erachte und klar kann ich nicht Primal Scream als Opener machen. Das haben die deutschen Ansprechpartner auch mittlerweile verstanden und im Großen und Ganzen haben wir auch fast nur Bands, die das genauso sehen. Ist also kein wirkliches Problem. Wenn das Gesamtpaket stimmt, dann ist das ja auch für jeden Teil des Pakets ein Vorteil. Da mach ich mir sehr viele Gedanken. Wie beim Mixtape zusammenstellen.

Das ist aber auch eine Frage des Standings von Seiten des Festivals.
Ich muss inzwischen viel weniger diskutieren. Dieses Vertrauen habe ich mir auch hart erarbeitet und die Leute wissen, dass ich keine Slots vergebe ohne da alle PROs und CONTRAs aus Band- und Festivalperspektive abgewägt zu haben.

Das hört sich gut an. Dann weiterhin viel Erfolg bei eurer Arbeit und vielen Dank für deine Zeit und das Interview!
Danke und bis bald.