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Wie das lunatic Festival Idealismus, Lernen und Eventmanagement vereint

Ein Festival als Teil des Studiums


Wenn ca. 25 Lüneburger Studierende ohne Vorerfahrung, ehrenamtlich, in einem Dreivierteljahr eine Veranstaltung auf die Beine stellen, dann kommt am Ende das lunatic Festival dabei heraus. Ein Event das für einige ein Tetrapack Weißwein von Penny, richtig viel Sonnenschein und Glitzer bedeutet, für andere einen großer Teil ihrer Studienzeit prägt. Klingt schonmal besonders und das ist es ohne Frage auch.

text Isabel Roudsarabi
fotos Tanja Rakocevic, Jonathan Schanz, Sünje Petersen

Aber was für Strukturen stecken dahinter? Wer ist darin involviert und was bedeutet es, dass das Festival im Rahmen eines Lernprojektes stattfindet? Wir haben uns mit dem aktuellen Organisationsteam und der Seminarleitung der letzten fünf Jahre getroffen und all diese Fragen und noch sehr viele mehr beantwortet.

» Symbiose zwischen Lernprojekt im Unikontext und Organisation einer erfolgreichen Veranstaltung «

Zu aller erst: das lunatic Festival, dass jedes Jahr am ersten Juni Wochenende auf dem Campus der Leuphana Universität stattfindet ist alles, nur nicht gewöhnlich. Hinter der Konzeption und Umsetzung des Events stehen zahlreiche engagierte Studierende und Alumni, die im Rahmen eines Seminars von Oktober bis Juli dafür arbeiten, dass die etwa 3500 Gäste ein wundervolles Wochenende erleben. Das bedeutet natürlich, dass neben dem Uni Alltag, Hobbies und Freunden viel Freizeit für die Organisation des Festivals aufgewendet werden muss.

Sarah Kociok, die seit 2012 den Lehrauftrag für das Projekt inne hält, beschreibt die Arbeit in der Gruppe als: ”Zusammenkommen von sehr unterschiedlichen Charakteren, die sich dazu committen die Entwicklung des Festivals, die der anderen Seminarteilnehmer und ihre eigene voran zu bringen. Dabei ist das lunatic eine Platform, ein Möglichkeitsraum, ja eine Spielwiese um herauszufinden wo eigene Stärken, Schwächen & Werte liegen. Da wird das eigentliche Festival fast schon zur Nebensache.”

Das Projekt versucht also eine Symbiose zu sein zwischen einem Lernprojekt im Unikontext und der Organisation einer erfolgreichen Veranstaltung, die eine Bereicherung für die kulturelle Landschaft der Stadt darstellt. Jeden Mittwoch findet so das etwa viersündige Seminar statt, in dem vor allem über Ideale, Ziele und Vorstellungen gesprochen, aber auch Input zu den unterschiedlichsten Themen der Festival Organisation gegeben wird. Dazu gehört unter anderem die Beschäftigung mit aktuellen gesellschaftlichen Diskursen, wie Nachhaltigkeit, Inklusion oder soziale Gerechtigkeit und deren Einordnung in den Veranstaltungskontext.

Daneben treffen sich die Teams der einzelnen Bereiche wie PR oder Booking noch mindestens einmal in der Woche, um sich der konkreten Planung des Festivals anzunehmen. “Das Festival ist natürlich das Herz des Ganzen und das worum es vordergündig geht,”, erklärt Sarah: ”aber der Prozess, so wie er aufgebaut ist dient auch dazu, persönlich zu reifen und den eigenen Horizont zu erweitern.”


» den Begriff der Nachhaltigkeit in den Festivalkontext eingliedern «

Axel Bornbusch, der zusammen mit Kociok das Seminar seit fünf Jahren betreut und das lunatic schon seit dessen Beginn kennt und begleitet, erzählt, dass auch die Veranstaltung an sich einen langen und intensiv Prozess hinter sich hat: ”Nach der Gründungsphase musste man sich erstmal bewusst machen, wo man eigentlich als Projekt hin möchte. Bis 2009 gab es die Einbettung in den Universitätskontext noch nicht in der Form, in der sie heute besteht. Man musste sich auch jedes Jahr aufs Neue Gedanken machen, ob das Event im nächsten Sommer überhaupt wieder stattfinden konnte. Als das Festival dann irgendwann marktwirtschaftlich besser aufgestellt war, war es erst möglich uns mit Themen zu beschäftigen, die außerhalb des Tagesgeschäfts lagen.” Diese beinhalten neben der Vermittlung von gesellschaftlichen Fragen auch der Ausbau eines Kunstprogramms auf dem Gelände oder die Gestaltung der Atmosphäre durch Dekorationen und Selbstgebautes: “Gerade diese Dinge stärken nachhaltig die Marke lunatic und machen sie zu einem sehr etablierten Player in der Festivallandschaft. Klein aber fein eben.”

Axel und Sarah waren es auch, die es ermöglichten ein zweites Seminar nur für Erstsemester StudentInnen zu eröffnen, dass an die Arbeit des Hauptseminars anknüpft. Hier können StudieneinsteigerInnen erstmal erfahren, was es bedeutet intensiv auf eine Veranstaltung hinzuarbeiten und wie man den Begriff der Nachhaltigkeit in den Festivalkontext eingliedern kann. Im Rahmen der in jedem Frühjahr stattfindende Nachhaltigkeitskonferenz der Leuphana entsteht so die sogenannte “Spielwiese”, ein kleines Umsonst und Draußen, welches sich verstärkt mit Vermittlungsthemen beschäftigt und neben einer Bar und einem Kunst- und Musikprogramm auch Workshops und Gesprächsrunden anbietet. “Die Leute wollen nicht mehr nur auf ein Festival um sich zu betrinken und Musik zu hören – die Anspüche sind über die Jahre gestiegen”, beteuert Axel. “Genau dass ist es auch, was das lunatic so spannend macht. Es ist eben mehr als: Ich esse meine Pommes, ich trinke mein Becks und höre mir Foo Fighters an, sondern entsteht mit sehr viel Liebe zur Sache und zum Detail.”, versichert Jule Erichson, Teil des aktuellen PR Teams. Qualität wird also beim lunatic nicht nur an Besucherzahlen und Headliner-Bekanntheit gemessen und das macht es so sympathisch.



» Auch wir als Lehrbeauftragte mussten da erstmal lernen, unser eigenes Ego zurück zu stellen «

Jedes Jahr müssen sich Interessierte im Sommer auf einen Platz im Team bewerben. Nach einem Motivationsschreiben folgt ein Gespräch mit Teilnehmern des Vorjahres, dann wird die Besetzung jeder einzelnen Stelle in einem Gremium diskutiert. Carlotta Schneider aus dem Booking Team bewarb sich schon in den letzten drei Jahren immer wieder, bevor sie dann auch mal zu ihrem Vorstellungsgespräch erschien. Mittlerweile blickt sie auf das Festival nicht nur als Besucherin, sondern auch von innen: ”lunatic ist das Ausleben von Themen mit denen man sich im Studium und privat beschäftigt. Man hat Raum, kreativ und kritisch zu Denken und diese Gedanken auch umzusetzen.” Jule ergänzt dazu: ”Die Strukturen machen das ganze Projekt auch einfach noch ein bisschen nicer. Man organisiert nicht nur eine Veranstaltung, sondern lernt auch neue Arbeitsweisen kennen und darf seinen Idealismus ausleben. Wenigstens da. Wenigstens in unserem Mikrokosmos etwas verändern.”

Am Anfang sei alles natürlich ein bisschen erdrückend und überfordernd, weiß auch Daria Humburg, die 2017 das erste Mal Teil des Orga-Teams ist:” Man findet dann aber ziemlich schnell seine Rolle in der Gruppe und durch Übergabe-Gespräche bekommt man auch einen ganz guten Überblick von seinen Aufgaben.” “Da ist es auch schön,” erzählt Carlotta: ”,dass es Leute gibt, die schon zwei Jahre dabei waren und ein bisschen mehr Erfahrung mitbringen und die anderen, die neu dazu kommen, erstmal ein bisschen mitnehmen. Auf der anderen Seite sind die Neuen oft nicht so festgefahren und bringen einen Schwung Innovation und Ideen.” Dabei sei jedoch eben auch wichtig, dass Erfahrung nicht immer gleich bedeute, es besser zu wissen, so Sarah. Gute Ideen entwickelten sich nur dann, wenn sie nicht gleich durch Skepsis erstickt würden. “Jeder wird bei Diskussionen ernst genommen. Es geht nicht darum lediglich zusammen zu wirken, sondern auch fast alles was man plant zusammen zu entscheiden.”, beschreibt Jule.

Hier lässt sich gleich eine weitere Besonderheit des Festivals erkennen: Das Arbeiten im Konsensprinzip. Wer nicht weiß was das bedeutet, kann sich hier eben die Zeit nehmen einen neuen Tab zu öffnen. An dieser Stelle sei nur einmal gesagt, dass es zu langen Diskussionen, jedoch auch meist zu unglaublich demokratischen, sicheren und effektiven Beschlüssen führt. “Wir machen nichts einfach weil wir es können. Die Prozesse sollen transparent blieben und niemand sich fühlen, als hätte er keine Stimme. Auch wir als Lehrbeauftragte mussten da erstmal lernen, unser eigenes Ego zurück zu stellen und gemeinsam Lösungen zu finden.”, führt Sarah aus.

Durch die starke Selektierung der Teilnehmer, die laut Axel auch: ”meistens irgendwie intelligent, sehr ambitioniert und motiviert” sind, entsteht eine Gruppe, die sehr lange und sehr intensiv zusammen arbeitet. Jeder baue mit allen in irgendeiner Art eine mehr oder weniger ausgeprägte Beziehung auf. Das schaffe ein im Studium einzigartiges Gemeinschaftsgefühl. “Das wirkt von außen vielleicht so, als hätten wir alle voll den Plan, aber im Endeffekt hat ja niemand von uns vorher schonmal sowas in die Richtung gemacht.”, bemerkt Jonas Kernein, der bereits im dritten Jahr das Festival mitorganisiert: “Allerdings definieren wir uns ja vor allem über unsere Ideale und die haben wir gemeinsam deutlich vor Augen. Sicher wäre es in dem Punkt einfacher, alles so zu machen, wie andere Festivals, aber genau das wollen wir eben nicht. Es geht darum ungeachtet irgendwelcher Vibes und unabhängig von den realen Marktbedingungen in denen man sich bewegt etwas zu leben, was dort noch gar nicht angekommen ist. Das mag vielleicht überhaupt nicht so stark von den Besuchern wahrgenommen werden, aber bestimmt im wesentlichen unsere Konzeption, also beispielsweise welche KünstlerInnen oder Partner wir auswählen.” Gleichzeitig schafft es das lunatic jedes Jahr aktuelle Musik und Kunstströmungen aufzunehmen.

Gibt es denn auch etwas, dass das lunatic nicht kann, fragt man sich da. Die Antwort ist so simpel wie einleuchtend: Ja. Zum Beispiel muss das Gelände, durch die Lage bedingt am Freitag um 23 und am Samstag um 24 Uhr schließen. Auch kann kein Camping angeboten werden. Jule findet: ”dass gerade die Nächte auch viel für das Flair eines Festivals tun. Es ist also schon schade, dass wir diese Möglichkeit nicht haben.” Ferner muss man sich trotz des Utopie-Denkens ja doch an reale Strukturen anpassen. Kompromisse müssen eingegangen werden, damit das Festival jedes Jahr aufs Neue funktioniert: ”Gerade Produktionstechnisch müssen wir uns einfach manchmal anpassen, da wir als normaler Marktteilnehmer wahrgenommen werden.”, so Daria.

Ein anderes Problem des Festivals: Man müsse als Teammitglied schon sehr darauf achten, dass die Beschäftigung mit dem lunatic nicht sein ganzes Leben einnehme. Je näher das Festival rückt, desto schwieriger wäre es, den zeitlichen Anforderungen gerecht zu werden ohne einen großen Teil seiner Freizeit dafür aufzugeben. Da könne man schnell an seine Belastungsgrenze stoßen. Trotzdem sind sich alle einig, dass man dafür natürlich auch einiges zurück bekäme: Sich selbst und andere besser kennenzulernen, kritikfähiger zu werden und einen sehr breiten Überblick über die Arbeit für eine Großveranstaltung zu bekommen. Außerdem wüchsen die Skills, sich selber zu strukturieren und organisieren und Verantwortung für einen Bereich zu übernehmen. Es ginge nicht darum einem bestimmten Bild zu entsprechen, sondern dort wo man sich gerade befindet etwas mit dem zu verändern, was man als Charakter mitbringt.

Am Festival Samstag kurz vor dem Headliner, geht dann das ganze Team gemeinsam auf die Bühne um sich bei den Besuchern und allen, die zu einer erfolgreichen Veranstaltung beigetragen haben, zu bedanken. Jonas weiß: ”Es ist einfach ein super dankbarer Job. Das ganze Jahr macht man etwas, das einem Spaß macht und an dem man selber wächst und zuletzt sieht man in den Gemütern der Menschen, dass sie gerade eine richtig schöne Zeit haben und man seine Freude an der Sache auf andere übertragen hat.”

All diese Strukturen, Leitbilder und Konzepte, die hinter dem lunatic Festival stecken, klingen natürlich fantastisch, aber zugegeben auch sehr komplex. Für alle, die während des Lesens kurz oder länger den Faden verloren haben, hier eine kleine Zusammenfassung von Axel:
“lunatic ist ganz viel. Je nachdem aus welcher Richtung man darauf schaut.
lunatic ist ein studentisches Praxisseminar an der Leuphana Universität.
lunatic ist ein ehrenamtlicher Verein der von Idealismus und Commitment lebt.
lunatic ist für die Stadt ein kulturelles Highlight im Sommer.
lunatic ist für die Universität ein organisch gewachsener Alumni Tag.
lunatic ist nicht vorhersehbar.
Und lunatic hat immer Glück mit dem Wetter.”

Festivalfinder

lunatic Festival 2018

01. & 02. Juni - Lüneburg


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