Zwischen Flunkyball-Turnier, Grillplatz-Abbau und einer Menge Funksprüchen treffen wir Jonas Seetge auf dem Kosmonaut Festival 2018. Der Programmchef von Landstreicher - neben der Band Kraftklub und Goodlive die Veranstalter*innen des Festivals - kümmert sich nicht nur hier, sondern auch bei allen anderen Events der Firma um das Booking der Künstlerinnen und Künstler.
interview Isabel Roudsarabi
redaktion Elliott Kreyenberg, Henrike Schröder,
Tina Huynh-Le
fotos Sascha Krautz
Lesedauer ca. 15 Minuten
Feel Festival, Artlake, PULS Open Air, Rocken am Brocken... Die Liste der Festivals, bei denen Jonas bereits mitgearbeitet hat, ist lang. Kein Wunder, dass er also ein gutes Gespür für den Festivalmarkt entwickelt und die ein oder andere spannende Anekdote zu erzählen hat.
Wir haben uns mit ihm im gemütlichen, ruhigen und familiären Backstage Bereich des Kosmonaut Festivals auf ein paar Liegestühle gesetzt und mal nachgefragt, was alles dazu gehört, wenn man Programmchef von einer der relevantesten deutschen Booking Agenturen ist. Dabei verrät er unter anderem, wie das mit dem geheimen Headliner genau funktioniert, gegen welche Probleme die deutsche Festivallandschaft aktuell kämpfen muss und warum er sich überhaupt für eine Karriere in der Musikbranche entschieden hat.
Wie bist du zu Landstreicher und zum Kosmonaut gekommen?
Ich hab vorher sehr lange verschiedene andere Festivals gemacht, teilweise ehrenamtlich und hobbymäßig in meiner Heimat. Dann bin ich Stück für Stück in andere Festivals reingerutscht. Vier Jahre lang hab ich für das Feel Festival und das Artlake Festival gearbeitet und parallel das Festival Kombinat mit aufgebaut. Dabei war der Gedanke, verschiedene Veranstalter zu vernetzen, um Know-How auszutauschen und Infrastrukturen zu teilen.
Die Idee habe ich direkt angestoßen und bin darüber zum Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft e.V. (BDKV) gekommen. Felix, einer der Geschäftsführer von Landstreicher, sitzt dort im Vorstand und die hatten überlegt, das Festivalkombinat quasi als Spartenverband vom BDKV anzugliedern. Deshalb habe ich mit ihm gesprochen und anscheinend war er sehr angetan und hatte das Gefühl, dass ich ganz kompetent wirke, in dem, was ich tue.
Landstreicher wollte außerdem ihr gesamtes Festival Booking auf eine Person zentralisieren: eine Art Programmkoordinator, der sich um alle Inhalte, die sie begleiten oder selbst veranstalten, kümmert. So ist meine Position geschaffen worden. Ich bin im Oktober 2017 vom Feel Festival zu Landstreicher gewechselt. Von Anfang an war es dann klar, dass ich auch das Kosmonaut Festival, was ja ein Landstreicher Format ist und das wir gemeinsam mit Kraftklub und Goodlive machen, mit betreue.
Wir wollen grundsätzlich zu ‘nem Liebhaber - Festival werden.
Was sind als Programmchef deine Aufgaben im Vorfeld des Festivals?
Die zentrale Aufgabe ist die Kuration des Programms aller Bühnen. Aber ich bin eigentlich auch mit reingeholt worden, um das Kosmonaut nochmal weiterzuentwickeln. Obwohl es schon sehr schön ist, wie es ist, ist es einfach wahnsinnig schwierig gegen andere Festivals anzukommen, die in unmittelbarer Nähe mit einem viel größeren Budget natürlich auch ein größeres Line-Up auffahren.
Wir als Kosmonaut wollen dagegen nicht diesen Kampf gehen im Line-Up, wir wollen nach wie vor ein sehr wohl kuratiertes Line-Up haben, tolle internationale Künstler auch über die nächsten Jahre mehr und mehr versuchen zu bekommen. Wir wollen grundsätzlich eigentlich zu ‘nem Liebhaber-Festival werden, auf dem man immer coole, spannende, neue Acts entdecken kann, was aber vor allem auch mit der Atmosphäre drumrum überzeugt. Das ist also auch meine Aufgabe: zu gucken, wie man das Kosmonaut vielleicht auch nochmal Stück für Stück in eine andere Richtung entwickeln kann.
Darum hatte ich zum Beispiel das Kamp mit K zusammen mit Beat (Gottwald, einer der Geschäftsführer sowohl vom Kosmonaut als auch von Landstreicher, AdR.) entwickelt. Dabei geht es darum, die Besucher mehr an der Gestaltung des Festivals teilhaben zu lassen, wodurch das Ganze am Ende wahnsinnig emotional wird, weil sie Freiraum haben, sich in das Festival einzubringen.
Meine erste Funktion ist also das Booking und die Programmkoordination von allen Bühnen. Meine zweite Funktion ist die Entwicklung des Rahmenprogramms, neue Ideen zu spinnen und diese intern an die richtigen Leute weiterzugeben. In dritter Funktion bin ich für die Sponsorenakquise und -betreuung zuständig. Ich habe also das ganze Jahr versucht, Marken davon zu überzeugen, dass das Kosmonaut ein tolles Festival ist und probiert, Ideen zu verkaufen, wie sie nicht nur über Sidewings und Banner Präsenz zeigen können.
"Du könntest Jonas an einen Baum binden und er würde trotzdem ohne Hände und Füße noch versuchen, ein Festival zu organisieren."
Und was ist während des Festivals dein Aufgabengebiet?
Ich gebe die Vorproduktion komplett an unser Produktionsteam ab, die dann all die Kommunikation bezüglich Shuttle Planung, Hotel Planung, Rider und Catering übernehmen.
Hier vor Ort gibt es ein sehr fleißiges Artist Team, sodass ich mich komplett auf die Marken-Partner konzentrieren kann. Ich nehme sie in Empfang und sorge dafür, dass Bedürfnisse wie Strom, der richtige Standplatz und Zäune geregelt sind – ähnlich wie bei der Betreuung eines Künstlers. Das klingt erstmal einfach, oft kommen aber viele Kleinigkeiten zusammen, die viel Zeit kosten. Bis man sich dann abgesprochen, eventuell einen Runner losgeschickt und eine Lösung gefunden hat, vergeht schon eine Weile.
Kannst du die schönste und die nervigste Sache an deinem Job nennen?
Ein Kollege hat das letztens so beschrieben: “Du könntest Jonas an einen Baum binden und er würde trotzdem ohne Hände und Füße noch versuchen, ein Festival zu organisieren". Wenn man sehr viele Projekte parallel betreut, verliert man sich selbst und sein Sozialleben allerdings sehr schnell aus den Augen. Mein Motto für die Zeit nach dem Sommer ist auf jeden Fall: Make Social Life Great again. Von Silvester bis jetzt kann ich an zwei Händen abzählen wie viele Tage ich mit Freunden und Familie verbracht habe, die nicht aus der Musikbranche oder meiner eigenen Firma sind. Es gibt immer mal wieder Momente, in denen man das realisiert. Man muss glaube ich langfristig für sich einen Weg entwickeln, wie man das irgendwie hinbekommt. Aber ja, das nervt. Manchmal zumindest.
Die schönste Sache ist relativ einfach. Wir waren ja gerade oben bei den Kamps mit K. Da kam eine Besucherin an und meinte über das Rocken am Brocken, ein Festival, das ich in der Heimat ehrenamtlich mache: “Da fahr’ ich jedes Jahr hin, einfach weil ich dort so viel Spaß habe, so viele tolle Menschen kennengelernt habe und einfach weil die Atmosphäre gut ist”. Sie hat sich dafür bedankt und genau das ist es eigentlich, warum ich diesen Job mache.
Ich kenne tatsächlich Geschichten von Festivals, dass sich Leute kennengelernt und geheiratet haben oder sogar auch auf dem Festival ihr Kind gezeugt wurde.
Hast du denn von Anfang an immer so viel zurückbekommen? Oder gab es auch Zeiten, in denen du gezweifelt hast, ob das, was du machst, für dich das Richtige ist?
Es gab bei mir tatsächlich mal diese Kehrtwende. Ich hatte vorher eine eigene Unternehmensberatungsfirma, die sehr gut lief. Für mich kam irgendwann der Zeitpunkt, an dem ich sagen musste: Ich kann mich nur noch entweder um Festivals und Booking - da hab ich halt Bock drauf - oder meine Firma kümmern. Rational fiel die Entscheidung für die Firma aus, weil ich ja das Geld brauchte, um meinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Ich bin dann zum Rocken am Brocken gefahren mit einer Rede im Kopf, um dem ganzen Team zu erklären, dass ich nach dem Festival aussteigen werde.
Während des Festivals gab es dann diesen Moment, in dem ich auf der Hauptbühne stand und diese 5000 Leute vor mir gesehen habe. Du spürst halt, auch wenn sie besoffen sind, dass du den Leuten ein besonderes Wochenende schenkst und viele auch neue Kontakte knüpfen oder Partner kennenlernen. Ich kenne tatsächlich Geschichten von Festivals, dass sich Leute kennengelernt und geheiratet haben oder sogar auch auf dem Festival ihr Kind gezeugt wurde. Erfolgsgeschichten!
Ich bin einfach selbst ein Typ, der anderen sehr gerne hilft, andere sehr gerne glücklich macht. Das war für mich der Moment, in dem ich gesagt habe: Okay, genau andersherum. Ich mache nicht das, mit dem ich Geld bekomme, sondern das, mit dem ich mich wohlfühle und andere Leute glücklich mache.
Worauf freust du dich am meisten, wenn du von einem Festival nach Hause kommst?
Auf das nächste Festival! Ich hatte ursprünglich überlegt, ob ich von hier aus direkt zum Roskilde fliege und von dort dann zum Feel Festival. Ich werd das aber meiner Gesundheit zuliebe nicht tun. Am meisten freue ich mich einfach darauf, mich in mein Bett zu schmeißen, mir ‘ne Pizza zu bestellen, um 20 Uhr schlafen zu gehen und einfach mal wieder 12 Stunden durchzuschlafen.
Du hattest ja vorhin schon von dem Moment erzählt, als du beim Rocken am Brocken auf der Bühne standest: Gab es einen Moment in den letzten Jahren, vielleicht auch mit Landstreicher, der dich sehr berührt hat oder dir im Gedächtnis geblieben ist?
Wir haben uns beim PULS Open Air dieses Jahr auf die Fahne geschrieben, ein inklusiveres Festival zu werden. Das Festival soll also Stück für Stück für Menschen mit Behinderung zugänglicher werden, sei es für Gehörgeschädigte oder Menschen die im Rollstuhl sitzen. Um das zu erreichen, hatten wir verschiedene Vereine eingeladen, etwa Rollifahrer-Vereine, um das Gelände zu testen und uns Feedback zu geben. Außerdem hatten wir vor Ort eine Gebärdendolmetscherin, die die Künstler in Echtzeit übersetzt hat. Die war auch bei Kraftklub mit auf der Bühne. Bei dem Konzert saßen wir mit dem ganzen Veranstalterteam auf einem Oberrang und waren sowieso schon so berührt, weil wir das Festival geschafft hatten. Der Höhepunkt, auf den man ein Jahr lang hingearbeitet hatte, war da: Die Arena war komplett gefüllt, die Stimmung am Eskalieren. Dann wurde einer der Rolli-Fahrer hochgehoben. Die Leute haben ihn komplett von der Mitte der Arena bis ganz nach vorne getragen. Und nicht nur das. Die Kraftklub-Jungs haben ihn entgegengenommen und auf die Bühne gestellt. Er hat sich dann das restliche Konzert von dort aus angeschaut. Das war einfach ein Moment, in dem, glaub ich, die ganze Arena Gänsehaut bekommen hat. Neben mir links und rechts haben Leute gesagt: “Das ist der schönste Moment, den ich je erlebt habe”. Es hat einen so berührt und das ist bei mir sehr hängen geblieben.
Du hast ja gerade auch das Thema Inklusion angesprochen, mit dem sich viele Festivals aktuell versuchen, mehr auseinanderzusetzen. Welche positiven und vielleicht auch negativen Entwicklungen siehst du denn momentan sonst auf dem deutschen Festivalmarkt?
Rock am Ring hatte vor ein oder zwei Jahren 30-Jähriges, Hurricane jetzt 20-Jähriges, die Fusion ist 21 geworden und man merkt, dass es halt genau dieses Alter ist, in dem sie erwachsen werden und sich über solche Themen Gedanken machen. Es steht nicht mehr nur die Musik im Fokus. All diese Festivals können die Produktion bestens umsetzen, Künstler fühlen sich da wohl. Langsam können sie anfangen, sich über Nachhaltigkeit Gedanken zu machen und über ihren ökologischen Fußabdruck.
Wir sind beispielsweise mit anderen Veranstaltern vernetzt in der Go Group, das ist die “Green Operation Group”. Europaweit treffen sich mindestens einmal im Jahr Veranstalter, um zu besprechen, wie sie ihre Veranstaltungen nachhaltiger gestalten können: sei es durch Besucherpsychologie, also mit welchen kleinen Kniffen man Besucher dazu anhalten kann, ihren Müll doch zu trennen oder überhaupt zu sammeln oder wie man Aggregate optimal auslastet, um nicht zu viele zu haben und damit zu viel CO2 ausstößt.
Die nächste große Entwicklung ist “Take a Stand”. Es ist genau das, was der Name schon sagt: Ein Zeichen setzen, aufzustehen gegen Rassismus und Intoleranz und sich einzusetzen für ein gemeinsames Miteinander. Wir hatten das Logo auf unseren Sidewings und Flyern, auf vielen anderen Festivals gibt es Infostände dazu.
Man muss eben auch seine Rolle als Veranstalter verstehen: Wir bringen 15.000 Leute beim Kosmonaut Festival zusammen und erzeugen eine sehr emotionale Atmosphäre. Die sollte man nicht nur nutzen um gemeinsam Bier zu trinken und Smalltalk zu halten, sondern auch um ernsthafte Themen zu besprechen. Bei Feine Sahne Fischfilet wurde es gestern gesagt, Kraftklub wird es garantiert heute auch wieder sagen: Wir sind hier in Sachsen und die letze Wahl kennt, glaube ich, jeder.
Wir wollen den Leuten mit Musik und Kultur zeigen, dass es eben auch miteinander und nicht nur gegeneinander geht. Das ist auf jeden Fall eine sehr gute Entwicklung in der Festivalbranche.
Hm, ja und die negativen Entwicklungen: Man hat es dieses Jahr gesehen, bei den großen Majors, wie etwa dem Hurricane und Rock am Ring, dass sie doch relativ große Probleme beim Ticketverkauf hatten. Ich glaube, ein Faktor, der über die letzten Jahre mitspielt, ist, dass es immer wieder zu Absagen und Evakuierungen kam. Die Fans kaufen sich Tickets für 200€ und können am Ende doch nicht Rammstein sehen. Nach zwei, drei Jahren sagen sie sich irgendwann: “Okay, dann fahr ich da halt nicht mehr hin.”
Ich weiß nicht, ob sich das überträgt und die Leute sagen: “Dann fahr ich auf kleinere Festivals und schau mir die mal an”, oder ob die Leute sich dann nur noch die Konzerte angucken.
Die Wertschöpfungskette hat sich verändert. Es gibt keine Einnahmen mehr durch CD- oder Platten-Verkäufe, deshalb steigen die Gagen, deshalb muss man dann auch die Ticketpreise erhöhen und irgendwann ist man bei 200€. Wenn man die Foo Fighters und die Gorillaz hintereinander abfeuern will, dann geht das gar nicht mehr anders. Das kann man weder den Künstlern, noch den Veranstaltern in dem Moment anlasten, aber es ist einfach keine Entwicklung, die ich toll finde, weil ich Leuten so viel Kultur und Musik wie möglich eröffnen möchte.
Hast du das Gefühl, dass der Großteil der Festivals an ihrer Optimierung arbeitet?
Längst nicht alle. Man sieht schon, dass jedes Festival erstmal lernen muss zu gehen. Es ist tatsächlich wie ein Baby, das irgendwann anfängt zu krabbeln, zu laufen, Fehler macht, sich irgendwo stößt und daraus lernt, irgendwann erwachsen wird und sich dann über andere Themen Gedanken macht. Viele junge Festivals haben einfach nicht die Ressourcen, sich auch noch diesen Themen zu widmen. Die müssen alle Ressourcen in eine vernünftige Produktion stecken, um erstmal finanziell auf einer soliden Null zu landen, um weiterhin bestehen zu können. Aber ich glaube, alle Veranstalter, die ich kenne, sind sich dieser Themen bewusst und möchten, dass sie auch Teil ihres Festivals werden.
Gibt es neben all den Entwicklungen noch etwas, was dir auf Festivals fehlt?
Gute Frage, was fehlt eigentlich auf Festivals? Ich, der sich den ganzen Sommer auf Festivals rumtreibt, was fehlt mir? Es gibt ja verschiedene Entwicklungs-Trends in der Festivalbranche, neben den bereits angesprochenen Themen eben auch die Digitalisierung und diese ganze Cashless-Thematik. Viele Festivals, die versucht haben mit Cashless neue Wege zu beschreiten, sind aber auch wieder zurückgegangen, weil es ein wahnsinniger Kostenfaktor ist. Aber ich glaube trotzdem, dass im Rahmen der Digitalisierung noch sehr viel möglich sein wird. Ich kann aber gerade im Moment nicht erahnen, was da alles auf uns zukommt oder passieren wird.
Für mich persönlich fehlt wahrscheinlich eine komplett Akustik-isolierte Schlafgelegenheit. Ich bin zwar meistens in Produktions-Bereichen, wo es schon ruhiger ist. Für Besucher, die auf den Campingplätzen schlafen, ist es aber oft so, dass sie in Hörweite einen haben, der den ganzen Tag Musik abfeuert, die man vielleicht nicht so geil findet. Zumindest zum Schlafen eine Kapsel zu haben, wo man reingehen und seine Ruhe haben kann, das wäre schon ziemlich geil!
Welche Headliner würdest du für dein Traumfestival buchen?
Queens of the Stone Age wären so ‘ne Nummer. Die haben ja auch erst vor drei Tagen in Dresden gespielt. Aus unserem Team haben deshalb viele gehofft, dass sie geheimer Headliner werden. Einfach weil sie gerade da sind. Aber für mich, weil meine erste LP von denen war. Die hat mir mein Bruder damals geschenkt und damit meinen Musikgeschmack auch sehr in die Richtung gebracht. Ein anderer wäre auf jeden Fall Jack White, weil ich diese Person an sich super spannend finde. In dem Intro von dem Film “It Might Get Loud” baut sich Jack White aus einem Holzklotz, einem Tonabnehmer und einer Saite, die er aufnagelt eine Gitarre und zaubert da irgendwas hin. Seitdem bin ich so: “Was für ein krasser Typ!” Seine verschiedenen Bandprojekte machen ihn für mich zu einer Legende. Ich habe ihn dieses Jahr einmal angefragt, aber da hat das nötige Taschengeld dann doch gefehlt.
Bei Landstreicher kennen, inklusive mir, im Vorfeld vier Menschen den geheimen Headliner.
Wo du es gerade ansprichst: Wer weiß denn überhaupt vorher vom geheimen Headliner?
Es gibt ja viele Festivals, die diese geheime Headliner Sache mittlerweile machen, was so ein bisschen daher rührt, dass von den großen Festivals der Gebietsschutz immer, immer, immer krasser gesetzt wird. Ich habe das in diesem Jahr auch erlebt. Ich wollte die Blackout Problems buchen, die allerdings in ‘nem Gebietsschutz für ein anderes Festival waren, wo sie eigentlich nur auf der kostenlosen Warm-Up Party gespielt haben. Ich durfte sie im Vorfeld also nicht announcen. Da fehlt für mich jede Sinnhaftigkeit. Ich verstehe das aus Veranstalter- und Booker-Perspektive, aber das geht in eine Richtung, die völlig verkehrt ist. Viele versuchen, den Gebietsschutz mit geheimen Headlinern oder allgemein Secret Acts zu umgehen, weil man den Act so trotzdem buchen und auf dem Festival spielen lassen kann. Man wirbt nur nicht mit ihm und klaut deshalb dem Festival, das ihn schon announced hat, keine Tickets. Das machen viele so.
Bei Landstreicher kennen, inklusive mir, im Vorfeld vier Menschen den geheimen Headliner. Wir verwenden in allen E-Mails Synonyme oder Abkürzungen. Selbst bei den Agenten, bei denen wir buchen, wird der Act nicht angesprochen. Wir schreiben Fake-Itineraries für die Künstler, sodass deren Crew nicht weiß, auf welches Festival sie fährt. Damit der Tontechniker dieses Künstlers nicht den Fact-Sheet bekommt und dann zu einem anderen Tontechniker sagen kann: ”Ey geil, wir sind am Wochenende auch da!”, und sich das darüber rumspricht.
Wir buchen dem geheimen Headliner ein Hotel 50 Kilometer weiter, in dem sie sich den ganzen Tag aufhalten können, sperren dann alle Anfahrtswege ab und lassen sie in einem abgedunkelten Fahrzeug anliefern, sodass sie bis vor der Show niemand zu sehen bekommt. Wir haben einen eigenen Produktionsleiter auf dem Festival, der nur den geheimen Headliner betreut, damit keiner aus unserem Artist Care Team die Rider anschauen braucht. Sprich, wir nehmen das sehr, sehr, sehr ernst, das “geheim”. Es macht natürlich auch Spaß, wenn selbst hier im Freunde-Bereich, wo sich alle Kollegen aus der Musikbranche rumtreiben, fünf Minuten vor dem Konzert des geheimen Headliners alle hinter der Bühne stehen und noch rätseln, wer es sein kann. Dann kommt so ein Kribbeln auf und man spürt die Spannung. Nur dann ergibt auch unser Wettbüro, das wir da drumherum haben, wirklich Sinn.
Ich bin sehr gespannt, wo wir das die nächsten Jahre noch hintreiben können und werden.
Das war ja dieses Jahr auch noch mehr Aufwand mit fünf verschiedenen Acts als geheimer Headliner…
Ja genau, das war logistisch gesehen nochmal ein ganz anderer Aufwand, weil man ja nicht nur mit einer Agentur spricht - über einen Künstler - sondern mit vier verschiedenen. Das heißt, wir haben uns vom Aufwand her einen viel, viel größeren Schuh angezogen. Auch die Umsetzung auf der Bühne war so gedacht, dass jeder Act seine Hits eine Viertelstunde lang rausknallt. Genau so, wie das bei einer Hip Hop Cypher abläuft: Der eine steht auf der Bühne und der nächste übernimmt dann direkt das Mikro und es geht weiter. Die Grundidee war es, das Ganze zu einer Klimax zu treiben, die komplett eskaliert. Ich meine zumindest live vor Ort gespürt zu haben, dass das auch funktioniert hat: All diese Künstler, die Elite des deutschen HipHop, innerhalb einer Stunde auf eine Bühne zu bringen und so zu koordinieren, dass alles noch im Flow bleibt und eine gesamte Show ergibt. Ich fand’s super.
Eine letzte Frage noch, wir wollen dich ja auch nicht so lange aufhalten: Gibt es etwas, was du noch gerne sagen möchtest, zum Kosmonaut Festival, zu Landstreicher? Irgendwas, dass du noch gerne loswerden willst?
Auf jeden Fall einen großen Dank an die Künstler, dass die das immer mitmachen. Ihr seht das jetzt ja gerade, wie viele sich hier rumtreiben, mit ihren Familien, die das ganze Festival mitnehmen und diese Atmosphäre, die wir natürlich versuchen zu erzeugen. Aber wir können natürlich nur den Rahmen geben, der von den Künstlern sehr gut aufgenommen und weitergegeben wird an die Gäste. Milliarden war eben auf der Bühne, genauso wie Olli Schulz und die Gäste spüren, wenn die sich sehr wohlfühlen und Bock haben. Es freut mich einfach sehr, dass es am Ende immer wieder klappt, wie man sich das vom Programm her gedacht hat. Ich freue mich, Teil dieses verrückten Projektes zu sein, wo man sich beim geheimen Headliner so viel Mühe gibt, sich traut ein Kamp mit K in die Welt zu stoßen und mit einer Wortbühne, also eigentlich einer Podcast Bühne, auch mal einen ganz neuen Schritt wagt. Ich bin sehr gespannt, wo wir das die nächsten Jahre noch hintreiben können und werden. Das ist vielleicht auch eine kleine Schlacht-Ansage für 2019, zu gucken, was wir noch anders machen können.