Ein bezauberndes Setting, in dem sich Harfenmusik, Rockbands, literarische Lesungen und Wissenschaftsvorträge abwechseln, in welchem sich Großeltern mit ihren Enkeln ebenso wohlfühlen wie Mittzwanziger, die aus Leipzig oder Berlin gekommen sind. So in etwa könnte man das diesjährige Mosaïque Festival am 24. und 25. Mai beschreiben, das zum ersten Mal im Kulturpark Deutzen stattgefunden hat. Mit etwa 250 Besucher*innen hat das Veranstaltungsteam dieses Jahr vorrangig getestet, wie das innovative Konzept bei den Gästen ankommt. Wir ziehen mit Hannes Raetz, einem der Organisatoren, Bilanz.
text Ann-Sophie Henne
redaktion Christina Gilch
fotos Piet Diercks
Das Mosaïque Festival verfolgt ein Konzept, das keinem anderen in der deutschen Festivallandschaft so recht ähnelt. Kannst du kurz beschreiben, welches?
Der Fokus liegt im Unterschied zu den meisten Festivals nicht auf dem Musikalischen. Das Ganze soll kein Eskapismus durch Zudröhnen an den Bühnen sein, sondern eine wirkliche Interaktion mit und zwischen den Gästen beinhalten. Dafür haben wir ganz einfach alles zu einem Teil des Festivals werden lassen, was uns selbst an Unterhaltung interessiert: Zum Beispiel Theater, Wissenschaft und Literatur. Damit sprechen wir automatisch nicht nur die klassischen Festivalbesucher zwischen 18 und 28 an, sondern vor allem auch Familien mit Kindern und ältere Menschen.
Hat das funktioniert?
(lacht) Meinen Eltern hat es jedenfalls gefallen.
Wann und wie ist euch die Idee für das Festival gekommen?
Ein paar Freunde und ich haben lange Jahre auf elektronischen Festivals gearbeitet. Dort werden eine unglaubliche Energie, Freude und Kreativität in die Dekoration der Bühnen gesteckt, wie man sie auf Rock und Metal Festivals sehr selten findet. Wir dachten uns dann irgendwann: Warum gibt es diese Ästhetik nur für die Rave Kultur? Würde eine andere Zielgruppe das nicht genauso zu schätzen wissen? Wir werden ja selbst alle nicht jünger. Da wünscht man sich auch mal eine Veranstaltung, zu der man mit seine/r/m Partner*in und seinen Kindern gehen kann.
Stimmt eigentlich.
Das war die Anfangsidee, denke ich. Die Optik der elektronischen Festivals mit Live Bands aus der Rock-Richtung kombinieren und für eine andere Zielgruppe aufzuziehen.
Und dann?
Dann haben wir die Idee weitergesponnen. Warum eigentlich nur Musik? Warum nicht einfach alles „Schöne“, das die Kultur zu bieten hat, zusammenwürfeln? Diese Idee geisterte seit Mai 2018 in unseren Köpfen herum. Und weil wir immer schon mal etwas Eigenes machen wollten, haben wir es einfach ausprobiert.
Warum nicht einfach alles „Schöne“, das die Kultur zu bieten hat, zusammenwürfeln?
Wer seid ihr?
Ein ziemlich bunt gemischtes Team aus Freunden rund um Leipzig und Bremen, die Lust hatten, das Ganze auf die Beine zu stellen. Außerdem haben uns insgesamt drei Kollektive unterstützt. Aus unserer Gruppe könnte in Zukunft ein Verein oder Ähnliches werden. Wir legen aber großen Wert darauf, eine offene Struktur zu bewahren. Jede/r, der/die möchte, kann bei der Organisation oder der Arbeit vor Ort mitmachen. Das Ganze soll kein bürokratisches Knäuel werden, wo man nur über Beziehungen reinkommt – weder innerhalb der Planung, noch für Künstler*innen oder Caterer.
Wie viele Leute wart ihr dieses Mal in der Organisation?
Etwa 15 Leute im engeren Kreis, das Veranstalterteam bestand aus fünf Personen inklusive mir. Vor Ort hatten wir um die 80 Helfer*innen.
Der Kulturpark Deutzen ist nicht weit von Leipzig entfernt und gut mit der Bahn zu erreichen. Hat sich die Location aus eurer Sicht bewährt?
Auf jeden Fall. Neben der guten Anbindung ist die Landschaft dort unglaublich ergiebig. Es gibt einen See mit Strand und eine sehr vielfältige Vegetation. Es hat wirklich Spaß gemacht, die einzelnen Stages zu konzipieren und aufzubauen, jede ist total unterschiedlich geworden. Die erste haben wir bereits im März mitten in einer Weidenplantage gebaut, damit das frische Maigrün sich ein Stück der Bühne zurückholen kann und sie irgendwie lebendig aussieht. Insgesamt haben wir dieses Jahr, mehr oder weniger nacheinander, sieben verschiedene Orte bespielt.
Es war ein ziemlich abgefahrenes Gefühl, mit allen Gästen gemeinsam von Bühne zu Bühne zu wandern, um sich den nächsten Programmpunkt anzuschauen.
Ja, das ist ungewöhnlich. Wir hatten dieses Jahr einfach noch keine Kapazitäten, um die Bühnen parallel zu bespielen. Das wird nächstes Jahr schon anders laufen. Dieses Mal war es eben ein „kleines Mosaïque“, das uns als Testlauf gedient hat, aus dem wir lernen wollten und das wir auch finanziell komplett selbst getragen haben. Der Traum ist es, alle Bühnen parallel zu bespielen, die Besucher*innen noch viel mehr in die Gestaltung miteinzubeziehen, und uns auch in unserem Programm noch breiter aufzustellen. Es soll zu jedem Zeitpunkt überall etwas zu entdecken und zu erleben geben. Dafür haben wir auch schon viele Ideen.
Dieses Jahr konnten die Besucher*innen sich an einer Schnitzeljagd beteiligen.
Ja. Das war eine Mischung aus Schnitzeljagd und Escape Room, bei der es darum ging, einen zerbrochenen Krug wieder zusammenzusetzen. Dafür mussten die Gäste mithilfe von Hinweisen zunächst die Teile suchen. Überraschenderweise ging das ziemlich schnell, der Krug wurde schon am ersten Abend zusammengesetzt. Genau an solchen Ansatzpunkten wollen wir weiterarbeiten. Das Festival soll noch viel partizipatorischer werden, die Gäste sollen Teil des Programms sein. Nächstes Jahr arbeiten wir dafür vielleicht mit einer Firma zusammen, die mit Hilfe von neuen Erzählweisen interaktive Geschichten entwickelt.
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Es gab dieses Jahr Wein in Gläsern, Getränke in Glasflaschen und Essen auf die Hand. Wie wichtig ist euch Nachhaltigkeit?
Ökologische Nachhaltigkeit ist in unserem Selbstverständnis stark verankert. Wir haben es dieses Jahr geschafft, ohne Plastik auszukommen. Das wenige Besteck und die Teller wurden gespült. Eine Mülltrennung ist im Kulturpark von Anfang an vorgesehen, die haben wir ausgeweitet. Wir waren außerdem positiv überrascht, wie sauber die Zeltplätze waren. Natürlich war die Anzahl der Menschen noch einigermaßen leicht zu überblicken. Wir wollen das aber unbedingt beibehalten.
Gibt es auch ein Konzept zur sozialen Nachhaltigkeit?
Wir haben von Anfang an versucht, eng mit den Anwohner*innen zusammenzuarbeiten. Vorab haben wir sie zu Kaffee und Kuchen eingeladen, um das Konzept zu erklären. Das kam gut an, und wir haben dabei sehr nette Menschen kennengelernt, die uns sogar teilweise Töpfe, Smoker und Dekomaterial geschenkt haben.
Was war dein Lieblingsteil des Mosaïques?
Das ist schwer zu sagen. Als Veranstalter konnte ich auch gar nicht immer beim Programm vor Ort sein, weil es auf der nächsten Bühne schon etwas vorzubereiten gab. Ein Highlight war für mich aber Ellie Ford mit der Solo Harfe als Festival-Auftakt – das war schon eine ganz besondere Stimmung.
Was habt ihr generell für Feedback bekommen?
Wir haben am Samstag als letzten Programmpunkt eine große Feedbackrunde mit den Bands, Künstler*innen und Gästen angesetzt. Viele Gäste sind wirklich geblieben und haben sich eingebracht, was für uns allein schon ein tolles Zeichen war. Die Rückmeldungen waren fast durchweg positiv. Nur die Orientierung ist manchen nicht so leichtgefallen, an der Beschilderung wollen wir deshalb noch arbeiten.
Wenn du es dir wünschen dürftest: Mit welchem Gefühl sollen die Festivalgäste vom Gelände gehen?
Mit genau diesem Gefühl, das ich persönlich zuvor nur von elektronischen Festivals kannte. Da war ich oft verzaubert von den liebevollen Details, der Verspieltheit, der Kunst, den Lichtern, den Installationen. Manchmal hatte ich wirklich das Gefühl, ich könnte dort den ganzen Tag herumlaufen und aus dem Staunen nicht herauskommen. Genau das wünsche ich mir (auch) für eine andere Zielgruppe. Ich hoffe, dass jede*r Einzelne etwas Tolles mitgenommen hat, das er oder sie zuvor nicht kannte, neue Menschen kennengelernt hat, und irgendwie verzaubert wurde.