Magazin

Geile Crowd, Geiler Vibe

Erinnerungen vom Stadt ohne Meer 2018


 
 

text & fotos Isabel Roudsarabi
redaktion Tina Huynh-Le, Jonas Rogge 

OK KID haben es letztes Jahr Kollegen wie Casper und Kraftklub gleich getan und starteten den Versuch, ein eigenes Festival in ihrer Heimatstadt zu etablieren und ihr damit ihre Liebe zu beweisen.

 

Für Gießener Locals vielleicht weniger, für Angereiste sicherlich aber an einem unerwarteten Fleckchen der Stadt: Irgendwo zwischen Supermärkten, Baumärkten und Sportfachgeschäften befindet sich das Gelände des Stadt ohne Meer Festivals.

Während auf der Straße vor den Schleusen noch schnell der letzte Rest Tetrapack-Wein oder Bier ausgetrunken wird, knallt die Sonne schon mittags so sehr, dass man fast die Schweißtropfen auf den Asphalt platschen hört.

Nach 50 Metern unscheinbarem Kieselweg erwartet einen dann, umrandet von Bäumen und hübsch beplanten Bauzäunen, das irgendwie doch überraschend idyllische Gelände. Es riecht nicht nach gestern, sondern nach heute und nach Wiese und eben ein bisschen auch nach Schweiß.


Auf dem überschaubaren Platz haben es sich neben diversen Essensständen auch Lemonaid und ihr Camp Utopia, sowie ein Open-Air Vino Kilo Store gemütlich gemacht.
Es sieht fast aus, als hätte sich jemand dazu entschieden, die Welt an diesem Juni Tag ein bisschen knalliger zu färben. Strahlend blauer Himmel, saftig grüne Wiese und Tannen und eine gelbe Containerwand geben einem das Gefühl in ein Malen-nach-Zahlen-Bild hineingeplumpst zu sein. Dazu Deko, passend zum Thema Meer: hoch über den Köpfen schwebende Quallen und ein riesiges, hölzernes Walskelett bringen ein bisschen Unterwasser-Feeling in die Stadt, die es vermisst. Für Selbiges waren Studierende der Uni Gießen verantwortlich, die OK KID dazu einlud, beim Festival ihre ersten Praxiserfahrungen in Sachen Eventmanagement zu machen und einen Einblick hinter die Kulissen zu bekommen. Ohne Frage nicht die komplexeste Produktion, die man so in der Festivallandschaft findet, aber einfach sympathisch und herzlich und einfach.

Nach dem ersten Rundgang fällt vor allem eines auf: Eine so friedliche und sympathische Atmosphäre erlebt man selten auf Festivals. Alle sind happy, man kuschelt zusammen auf den sehr, sehr spärlich gesäten Schattenplätzen und freut sich, einfach nur da zu sein. 

Das Line-Up, bestehend aus Freund*innen und Bekannten der Veranstalter, baut sich über den Tag auf und endet feierlich mit dem emotionalen Auftritt ebendieser. Während zu Anfang erst nur ein paar Menschen vor der Bühne rumhüpfen und es sich der Rest auf einer der Sitzgelegenheiten oder im aufgeschütteten Sand gemütlich macht, kommen spätestens bei dem Chemnitzer Trio Blond alle in Feierlaune. Insgesamt erlebt man musikalisch einen Tag zwischen den vielversprechendsten Newcomern, lokalen Größen und feinst ausgewähltem, aktuellen Hip Hop und Indie. 

„Verschwende mich” taucht das ganze Festivalgelände in einen Lila-Ton.

Spätestens beim Auftritt der Gastgeber vergisst man den getrockneten Schweiß auf der Haut, die fettigen Pommes, die immer noch den Bauch zum Grummeln bringen und sowieso auch alles andere, was gerade noch so nervt. Die Setlist, geschmückt mit vielen alten und neuen Perlen, löst ein heimeliges Gefühl aus, auch, wenn man selbst gar nicht aus der Gegend kommt. „Verschwende mich” taucht dann das ganze Festivalgelände in einen Lila-Ton und, nur für OK KID, verwandelt sich dann, kurz vorm Finale, das gesamte Publikum in einen Chor. Ein Moment, in dem man gar nicht anders kann, als kurz die Augen zu schließen, einzuatmen und sich daran zu erinnern, welche Gefühle die erste Platte der Band in einem auslöste. Dann: Album Ankündigung, “Stadt ohne Meer” und ein herzzerreißendes Danke der Band an alle Mitwirkenden. „Geile Crowd, geiler Vibe”, lässt Frontmann Jonas verlauten.



Nur einen Hüpfer entfernt befindet sich die Location der Aftershowparty: Das Frau Trude. Charmant gelegen, schräg über dem Burger King und mit Feuertreppe zu erreichen, auf der sich schon kurz nach Beendigung des Open Airs so einige Besucher*innen tummeln. Drinnen ist es warm, aber gemütlich. Auf drei Floors findet man mindestens drei verschiedene Musikrichtungen, von Elektro über Indie bis zu Afrobeats.

Am Bahnhof trifft man um halb vier Uhr morgens dann einige Gestrandete, die von weit weg angereist sind. Ein Mädchen erzählt, sie sei extra aus Potsdam gekommen, habe seit fast 30 Stunden nicht geschlafen, weil OK KID.

Ohne Frage haben die drei OK KIDs es geschafft, eine Veranstaltung außerhalb des Mainstreams in ihrer grauen Heimatstadt zu etablieren. Für nächstes Jahr sind bereits die ersten Acts angekündigt, unter ihnen Rapper Ahzumjot und die Leoniden. Ihre Mission, ein bisschen mehr Kultur in ein sonst eher unscheinbares Fleckchen Erde zu bringen, hat auf jeden Fall auf Anhieb funktioniert.

Festivalfinder

Stadt ohne Meer 2019

1. Juni - Gießen


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