Die letzten zwei Jahre haben nicht nur sehr viele Dinge unmöglich gemacht, sie haben glücklicherweise auf der anderen Seite auch anderes ermöglicht. Weil bestimmte Themen im Alltag immer wieder zu kurz kommen, hat sich das SNNTG Festival in Hannover kurzerhand mit anderen Veranstaltenden zusammengeschlossen, um mit den freigewordenen Kapazitäten endlich intensiv daran zu arbeiten.
redaktion Leonie Stege, Isabel Roudsarabi
Symbolfoto Till Petersen
lesezeit 4 Minuten
Uns haben ein paar der Organisator*innen der FSTVL Konferenz Fragen dazu beantwortet, wie der digitale Zusammenschluss zu Stande gekommen ist und welche Aspekte der Festivalproduktion für sie im Fokus standen.
Mögt ihr euch zu Beginn einmal kurz vorstellen und erzählen, was hinter der FSTVL Konferenz steckt?
Isabel: Das SNNTG Festival gibt es seit 2017. Wir möchten ein niedrigsschwelliges Angebot und eine Plattform für Kunst, Musik, andere Kulturformen und die Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Themen sein. Dabei versuchen wir, verschiedene Disziplinen, Perspektiven, Projekte und Menschen zusammenbringen. Wir organisieren uns ehrenamtlich in einem gemeinnützigen Verein und planen mit ca. 80 Mitgliedern das ganze Jahr über das Festival. Mit ca. 3.000 Besuchenden findet es jedes Jahr auf dem wunderschönen, historischen Gelände des Straßenbahnmuseums in Sehnde bei Hannover statt.
Weil wir aber, wie so viele andere auch, im letzten und auch im vorletzten Jahr leider kein Festival veranstalten konnten, wollten wir die Zeit nutzen um uns mit Herausforderungen auseinanderzusetzen, die im hektischen Organisations-Alltag leider oft zu kurz kommen. Deshalb haben wir mit anderen niedersächsischen Festivals eine FSTVL Konferenz ins Leben gerufen und uns ein Jahr lang online zu verschiedenen Themen getroffen, ausgetauscht, vernetzt und fortgebildet.
Wann und wie ist die Idee für die FSTVL Konferenz entstanden?
Johannes: Das war im Frühsommer 2020, kurz nachdem wir alle gemerkt haben, dass sich unser Leben durch die Corona Pandemie verändert.
Wir haben dann beschlossen, dass wir die Zeit nutzen wollen, uns den Themen zu widmen, die im Planungsprozess nicht den Raum bekommen, den sie eigentlich bräuchten.
Daran wollten wir arbeiten, aber vor allem nicht alleine. Wir wollten die Festivals, mindestens aus ganz Niedersachsen, zusammenbringen, damit praxisnahe Lösungen unter Einbindung von Expert*innen erstellt werden können. Es gab also ein Gespräch im Frühsommer, das dann auch veröffentlicht wurde, mit dem Rocken am Brocken, dem Appletree Garden und dem SNNTG Festival, bei dem wir schon gemerkt haben, dass es ganz sinnvoll war, dass sich die Festivals darüber verstärkt austauschen. Das gab dem Ganzen den nötigen Schub und so begannen wir dann im Sommer 2020 mit diesem Projekt, bei dem sich insgesamt 12 Festivals aus ganz Niedersachsen beteiligten.
Wieso habt ihr euch für die drei Themen Nachhaltigkeit, FLINTA*-Personen und Awareness entschieden?
Isabel: Die Themen sind Herausforderungen, mit denen sich jedes Festival konfrontiert sieht, egal ob klein oder groß. Es sind aber leider auch die, die im stressigen Arbeitsalltag, besonders in ehrenamtlichen Kontexten, hinter so "hard Problems", wie zum Beispiel dem Sanitärkonzept, der Sicherheit oder der Technik hinten runterfallen.
Sie sind allerdings auch essentiell, um ein für alle Menschen sichereres, gerechteres und verantwortungsbewussteres Festival durchführen zu können.
Was waren die wichtigsten Erkenntnisse, z.B. zum Thema Awareness?
Tanja: Wir haben gelernt, dass Awareness Arbeit ein komplexes Thema ist und es auf gar keinen Fall ausreicht, einfach "nur" ein Awareness Team aufzustellen, sondern viel mehr eine interne Beschäftigung in den Festival Orga-Strukturen und ein Austausch mit den Dienstleistenden nötig ist. Außerdem ist es wichtig, sowohl seine eigenen Privilegien, als auch die eigene Machtposition zu reflektieren, um nach außen hin transparent kommunizieren zu können, welche Perspektiven das jeweilige Awareness Team abdecken kann.
Zwei weitere wichtige Erkenntnisse waren, dass auch die Prävention im Vorfeld und die Selfcare während und nach dem Festival super wichtig und Teil der Awareness Arbeit sind.
Deswegen wollen wir auch mit den niedersächsischen Festivals im Austausch bleiben, um uns dort weiterbilden zu können, gegenseitig zu unterstützen und voneinander zu lernen.
Wie geht es mit der Konferenz jetzt weiter? Plant ihr das Ganze als wiederkehrendes Event, vielleicht auch bald in physischer Version?
Johannes: Im ersten Schritt geht es darum, die Ergebnisse in die Praxis zu überführen, diese weiterzuentwickeln und zu evaluieren. Wir sammeln aktuell auch schon Feedback für unsere interaktive Website, um einzelne Aspekte noch weiter zu verbessern. Unser Ziel ist, im Idealfall daran anzuknüpfen und vielleicht sogar eine FSTVL Konferenz 2.0 zu veranstalten - ob in Präsenz oder digital, muss man dann schauen, da sind wir gerade noch in der Konzeption. Das Wichtigste ist aber jetzt erstmal die praktische Umsetzung. Schön ist, das aus der Konferenz bereits neue Projekte entstanden sind, die daran anknüpfen. Zum Beispiel ein Workshop zum Thema kritische Männlichkeit, der bald in Hannover stattfinden wird.
Wo kann man eure Ergebnisse finden?
Cora: Die Ergebnisse findet ihr auf unserer interaktiven Website. Klickt euch einfach durch die Präsentation und falls ihr Fragen oder Feedback haben solltet, kontaktiert uns gern! Außerdem verstehen wir die Inhalte der FSTVL Konferenz als stetig wachsenden Portfolio an Wissen. Wenn ihr Inhalte, Quellen oder Erfahrungen ergänzen möchtet, findet ihr auf der letzten Seite der Präsentation unsere Mailadresse und ein Padlet, in dem ihr euch ganz einfach eintragen könnt.