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Reeperbahn Festival Themenabend "Corona Hilfen"

“Ihre Branche ist systemrelevant”


Am Donnerstag trafen sich Kultuschaffende, Beraterinnen und Politik auf der Plattform des Reeperbahn Festivals zu einem Themenabend über Förderungen und Antragstellung, präsentiert von der MusikWoche & Höme. Finanz-Staatssekretärin Bettina Hagedorn kündigte dabei einen 2,5 Milliarden schweren Fonds für die Planungssicherheit von Veranstaltungen an.

text Isabel Roudsarabi
fotos Till Petersen

Hilfen kommen sehr spät an, einzelne Unternehmen und Solo-Selbstständige fallen durchs Raster, Anträge sind undeutlich formuliert, Subventionen müssen versteuert werden. So die bisherige Bilanz der Fördertöpfe, die in den letzten Monaten für die Kulturbranche bereit gestellt wurden. 
Gestern diskutierten dazu unter anderem Ben Mitha (Geschäftsführer der Karsten Jahnke Konzertdirektion), Pamela Schobeß (Gretchen, Clubcommission) und Bettina Hagedorn, die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Finanzen, über Unterstützungen für die Kulturwirtschaft seitens der Regierung. Der vom Reeperbahn Festival organisierte Abend brachte allerdings nicht nur neue Erkenntnisse, er brachte Ergebnisse. 

Die wohl überraschendste und erleichterndste Aussage des Abends traf Frau Hagedorn im Panel “Inmitten der Nacht - auf der Suche nach der Perspektive”. Für Veranstaltungen, die von Juni bis Dezember 2021 geplant werden, soll es einen Ausfall-Topf in Höhe von 2,5 Milliarden Euro geben, der bereits von den Ministerien beschlossen ist. Damit soll Planungssicherheit für Kulturschaffende gewährleistet werden, die sich, sollten ihre Veranstaltungen in diesem Zeitraum aufgrund von erneuten Beschränkungen ausfallen, ihre Kosten zurückholen können. Ben Mitha betonte zu Anfang der Konferenz bereits, wie entscheidend so eine Art von Sicherheit für das weiterbestehen der Branche wäre. Außerdem würden mit diesem Topf auch Unterstützungen für nicht wirtschaftliche Events abgedeckt, also solche, die auf Grund von zu geringen Besuchenden-Kapazitäten ein Minus-Geschäft machen würden. Sie sollen mindestens auf eine schwarze Null kommen.  

FKP Scorpio CEO Stephan Thanscheidt berichtete im selben Panel davon, das seine Firma bisher durch fast alle Förderungs-Raster gefallen sei. Auch darauf hatte Hagedorn eine Antwort: Sie lud den Geschäftsführer ins Finanzministerium ein, um dort den Fall des Unternehmens konkret zu besprechen: “Wir versuchen, mit jedem neuen Programm zu schauen, ob wir die Hilfen verändern, ob wir sie verbessern können. Ja, wir wollen, dass diejenigen die es brauchen, es auch kriegen. Im Finanzministerium ist unsere Auffassung:

Ihre Branche ist systemrelevant.

Vorher erzählten Pamela Schobeß, Ben Mitha und Tontechniker Jörn Müller bereits von ihren bisherigen Erfahrungen mit den staatlichen Hilfen. Die Bilanz: ernüchternd. “Ich sehe die Bemühungen auf Seiten des Bundes und auch hier in Berlin, auf Seiten des Senats. Ich sehe, dass sie eigentlich helfen wollen. […] Aber wir sind alle abgemagert bis auf die Knochen, selbst die, die Hilfen bekommen.”, berichtet Pamela. Gerade die kleineren Bühnen, die häufig mit einer Umsatzrendite von etwas mehr oder weniger als 1% auskommen, hätten zu kämpfen. Sie würden nicht damit rechnen, vor Mitte 2022 wieder den ganz regulären Spielbetrieb aufnehmen zu können. Die Vorsitzende der Clubcommission machte der Politik allerdings keinen Vorwurf:

“Eine Pandemie, ist eine Pandemie, ist eine Pandemie.”

Niemand könne ein Datum nennen, wann die Krise überstanden sei. Die Belastung, die Zukunft des eigenen Clubs oder Festivals und der Mitarbeitenden nicht zu kennen, sei trotzdem enorm. Denn auch, wenn es wieder losginge, sei eine komplette Erholung noch lange nicht in Sicht: “Es kommen weniger Touristen, die Leute haben Angst.”, so Pamela Schobeß. Und: Viele Techniker*innen hätten die Branche bereits verlassen, erzählt Jörn Müller. Es sei also durchaus möglich, dass es bei der Wiederaufnahme des Betriebs zu Engpässen käme.
Vielleicht lassen sich ja wenigstens manche dieser Probleme durch den neuen Fonds wenigstens ein bisschen in den Griff bekommen.

Warum solche Abende wie gestern und die dort getroffenen Aussagen so wichtig sind? Weil wir nur zusammen etwas erreichen können. “Das Verständnis für die Diversität der Branche musste erstmal wachsen - nicht nur in andern Branchen oder den Ministerien, sondern auch in der Gesellschaft. Wir dürfen das Thema jetzt nie wieder verlieren, weil wir in dieser Krise gelernt haben, dass die Kultur- und Veranstaltungsbranche so wichtig für die Seele und das Wohlbefinden der Menschen ist. Was wir jetzt machen müssen, ist lernen”, erklärt Bettina Hagedorn. Seit Monaten arbeitete sie bereits mit dem Bündnis AlarmstufeRot zusammen, die die Forderungen der Veranstaltungswirtschaft an die Ministerien weiterleiten und Feedback geben können, wenn die Richtlinien nicht zur Situation passen.

Außerdem lud das Reeperbahn Festival Förderungsberaterin Rosita Kürbis und Steuerberaterin Freya Bockelmann ein, um durch den Dschungel der Förderprogramme zu führen und Antworten zu Fragen von Solo-Selbstständigen und Unternehmen zu geben. Ihr Input und die abschließende Q&A Session sind, genau wie alle anderen Formate, sind spätestens kommende Woche auf der Plattform des Festivals zum Nachschauen zu finden.

Veranstalter Detlef Schwarte fasst den Abend wie folgt zusammen:
"Das war ein intensiver Abend mit, wie ich finde, durchaus überraschenden, positiven Ergebnissen. Die Ankündigung eines neuen Corona-Fonds für die Veranstaltungsbranche mit einem Volumen von über 2 Milliarden Euro war dabei sicher die wichtigste Nachricht. Ich freue mich, dass unsere Veranstaltung dazu beitragen konnte, spürbar neue Perspektiven zu eröffnen.
Der Themenabend hatte knapp 90 aktive Teilnehmer*innen, die durchschnittlich 70 Minuten an den Programmpunkten teilgenommen haben. Diese starken Zahlen sprechen für das hohe Interesse am Thema, sicher aber auch für die inhaltliche und produktionstechnische Qualität unserer Sendung und unserer Plattform."

Schon in der ersten Januarhälfte soll es den nächsten Themenabend auf der Konferenzplattform geben. Dann zum Thema: Brexit.