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Ein Interview mit Onkel Punkrock vom Mission Ready Festival

Durch und durch Punkrock


Wir von Höme sind immer heiß drauf, Perlen im Festival-Ozean zu finden. So machen wir uns auch abseits des Wohlbekannten auf die Suche nach Geschichten, Orten oder Personen, die wir euch näherbringen wollen. Und wir können guten Gewissens behaupten: Es lohnt sich. Herausgekommen ist unter anderem das folgende Interview mit der Legende Onkel Punkrock.

text Isabel Roudsarabi
redaktion Sebastian Bondrea, Sonja Winkler
fotos Chris Weiss, Fabi Gebert, Thomas Röpke

Steffen Rose, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, ist Begründer und sowas wie der Schutzheilige des Mission Ready Festivals. Einer Veranstaltung, bei der Ska, Punk und Hardcore durch die Boxentürme schallen. Ein Tag voller Konzerte, umrahmt von zwei Campingtagen.
Wir haben mit Onkel Punkrock über seine Anfänge in der Szene in den 80ern gesprochen, darüber, dass das Festival frei von Stress und Hektik ist und was es von ähnlichen Veranstaltungen abhebt.


Ich darf doch Onkel Punkrock sagen oder? Übrigens, beeindruckende Künstlerpersona.
Ja, nicht wahr? Dank geht raus an meine Kolleg*innen, die mich aus einer Bierlaune heraus zu Onkel Punkrock stilisiert haben.

Willst du dich unseren Leser*innen kurz vorstellen?
Mein Name ist Steffen Rose, ich bin bald 57 Jahre alt und mach dieses Business seit über 30 Jahren - hauptsächlich im Punk-, Rock-, Independent-, Ska- und Metalbereich. Meine Position beim Mission Ready ist das Booking der Bands. Ich bin sowohl der Co-Veranstalter als auch Co-Inhaber des Festivals und betreibe es zusammen mit meinen Kolleg*innen der Firma Manfred Hertlein Veranstaltungs GmbH .

Wie läuft da die Aufgabenteilung?
Ich kümmere mich um das Booking, weil durch meine langjährige Erfahrung als Konzertveranstalter die wichtigen Connections zu den Agenturen bestehen. Die Leute von Hertlein sind für die Promo, die Finanzen, den Veranstaltungsort und die Organisation zuständig, weil da ihre Stärken liegen.

Wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen?
Einer meiner Kollegen hat mich irgendwann in der Kaffeeküche mal gefragt, ob wir nicht zusammen ein Open Air machen wollen. Er habe da so einen Platz, da hat er schon Die Fantastischen Vier gemacht. Ich zögerte. Am Ende einer jeden Saison war ich eigentlich immer froh, keine eigene Veranstaltung gemacht zu haben. Für mich war das Risiko eines Open Airs zu der Zeit unberechenbar. Das war in dieser Phase, in der Rock im Park, Southside und Hurricane ganze Tage nicht bespielbar waren, weil das Wetter so schlecht war.

Trotzdem habe ich mich dazu hinreißen lassen, mir den Platz anzuschauen und als wir vor Ort waren, war ich sofort begeistert. Der große Vorteil dort ist, dass alles betoniert ist. Man kann also immer noch nass werden, wird aber nie im Matsch versinken.

Für mich war das Risiko eines Open Airs zu der Zeit unberechenbar.

Und das hat dir dann die Sicherheit gegeben, dass das Ganze wirklich umsetzbar ist?
Unter anderem. Die Location ist ein alter US-Flughafen. Da stehen zwei riesengroße Hangars, das hat was. Wenn man diesen Platz betritt, überkommt einen sofort ein großartiges Feeling und dann steht da wirklich in zehn Meter großen Buchstaben "MISSION READY" drauf. Dadurch hat das Festival auch seinen Namen bekommen. Zuerst war der Name, dann kam das Festival.

Du machst schon sehr lange Veranstaltungen in der Punkrock-Szene. Aus welcher Motivation hat das begonnen und wann hast du gemerkt, das darin deine Zukunft liegen könnte?
Also da muss man ganz, ganz weit zurückgehen. Ich stamme aus einer Kleinstadt. Wenn du dich dort als junger Erwachsener Ende der 80er entschieden hast, dass du was mit Punkrock zu tun haben willst, warst du praktisch auf dich allein gestellt. Du konntest nirgendwo Platten kaufen, wir haben untereinander Tapes getauscht und hatten zum Glück ein Jugendzentrum mit einem ziemlich fitten Sozialarbeiter. Der hat es irgendwie geschafft, von der Stadt Geld zu besorgen und damit Konzerte zu veranstalten. Und dann haben wir auf den Rückseiten unserer Lieblings-Deutschpunkband-Platten geschaut, ob da irgendwelche Adressen drauf waren, haben wie wild Bands angeschrieben und auch Zusagen bekommen, was uns ziemlich überrascht hat. In unserer jugendlichen Naivität haben wir natürlich nicht drüber nachgedacht, was es alles zu beachten gab. Der typische Learning-by-Doing-Prozess eben. Das Ganze kam dann ins Rollen wie ein Schneeball - so viele Auftrittsmöglichkeiten für Punkrock- und Hardcorebands gab zu der Zeit noch nicht. Wir haben immer mehr Anfragen bekommen und dann lief es praktisch von allein.

Ich habe noch bis vor 17,18 Jahren einen Vollzeitjob gehabt und die Shows nebenbei gemacht. Irgendwann waren die beiden Jobs zeitlich nicht mehr machbar und ich entschloss mich, die Veranstaltungen zu meinem Beruf zu machen. Verrückt, nie im Leben hätten wir gedacht, dass man davon leben kann.

Dein Gesicht findet man auf den Bauzäunen des Festivals. Wie ist das entstanden und wie fühlt sich das für dich an?
Durch diese Onkel Punkrock Geschichte haben wir dem Festival natürlich ein Gesicht gegeben. Mittlerweile hat sich das verselbstständigt. Ich beantworte in der Woche vor dem Festival hunderte Nachrichten und setze mich mit dem Publikum auseinander. Viele Sachen kann ich beantworten, für manche habe ich keine Antwort. Aber natürlich versuche ich das dann trotzdem zu lösen, um den Leuten das Gefühl zu geben, dass ich für sie da bin und dass sie ein Teil dieses Festivals sind.

Am ersten Tag des Festivals gehe ich über den Campingplatz und unterhalte mich so viel es geht mit unseren Gästen.

Deswegen kommen sie auch gezielt zum Misson Ready, um an diesem Wochenende unter Gleichgesinnten zu sein.

Kannst du ein bisschen über die Leute erzählen, die zu euch zum Festival kommen?
Da muss ich kurz ausholen. Unser Plan war es immer, ein Tagesfestival zu machen. Im zweiten Jahr haben wir gemerkt, dass es ganz schön viel Aufwand für einen Tag ist.

Also gab es Überlegungen, einen zweiten Tag dranzuhängen?
Ja. Allerdings wollen wir unser Publikum und deren Bedürfnisse natürlich nicht aus den Augen verlieren. Unter unseren Besucher*innen sind ja viele zwischen 35 und 40 dabei, die mittlerweile andere Prioritäten im Leben haben und vielleicht gar keine Lust oder Zeit haben, sich ein ganzes Wochenende zu zerschlagen und dann am Montag sogar noch Urlaub nehmen zu müssen. Die möchten Freitag gemütlich ihr Zelt aufbauen, sich ein schönes Wochenende machen und Sonntag ohne Stress und Hektik zusammenpacken und gehen. Deswegen kommen sie auch gezielt zum Misson Ready, um an diesem Wochenende unter Gleichgesinnten zu sein.

Ihr könnt ein hochkarätiges Line-up vorweisen, im Vergleich zu anderen Festivals fallen eure Ticketpreise aber ziemlich günstig aus. Hat das eure Entscheidung, bei einem Tag zu bleiben, auch beeinflusst?
Ja auf jeden Fall. Uns war es wichtig, dass die Ticketpreise nicht zu hoch sind. Für ihr Geld bekommen unsere Besucher das pure Mission-Ready-Programm, keinen Schnick-Schnack. Wir haben keine kommerziellen Stände auf dem Areal, da setzen wir lieber auf Non-Profits wie beispielsweise Sea-Shepherd. Wir kommen auch komplett ohne Sponsoring aus. Das halten wir durch und durch Punkrock, probieren aber dennoch, dieses Festival auf einer professionellen Ebene umzusetzen.

Gerade die großen Festivals kommen ja nicht ohne ihre Sponsoren aus. Da ist es schon wirklich was Besonderes, dass ihr komplett darauf verzichtet.
Umso größer, umso angewiesener ist man drauf. Du schaffst kein Rock im Park und Rock am Ring ohne Sponsoring. Bei den Größenordnungen und bei der Preisstruktur, keine Chance. Aber das ist eine andere Liga als die, in der wir spielen. Da wollen wir auch gar nicht hin. Das ist auch nie der Gedanke vom Mission Ready gewesen.

Punkrock gegen AFD!

Positioniert ihr euch politisch?
Ganz klar den Stand: Punkrock gegen AfD. Wir haben die Sea-Shepherd Leute, wir haben White-Wine against AfD. Auf diesem Festival haben Leute, die mit der AfD in irgendeiner Weise sympathisieren, nichts verloren.

Wie ist es denn mit anderen Themen, die im Festivalkontext immer mehr in den Diskurs rücken -  Geschlechtergerechtigkeit auf den Bühnen, Inklusion, Nachhaltigkeit - macht ihr euch auch über diese Dinge Gedanken?
Ich probiere natürlich beim Booking darauf Rücksicht zu nehmen, kann aber auch nur aus einen gewissen Pool an Bands buchen. Und da kriege ich nicht immer, was ich will. Ein Beispiel, ich habe Anfang 2020 etwa drei Monate mit der Band Against Me verhandelt. Am Ende stand zu 99 Prozent fest, dass die Band spielt, sie müssten nur noch dieses eine Festival buchen, dann können wir mit allen Daten raus. Kurz darauf ging ich in den Urlaub und als ich wieder kam hatte ich eine Absage im Briefkasten. Das soll jetzt kein schlechtes Wort gegen Against Me sein, die ihren gesamten Tourneeplan für 2020 geändert hatten. Nur hatte ich diesen Slot für sie freigehalten und danach war keine weitere Band, die die nötigen Kriterien - also genderneutral, bezahlbar und noch nicht verbucht - erfüllt hätte.

Aber das Problem haben alle Festivals, das ist nicht exklusiv ein Mission-Ready Problem. Nur machen die großen Festivals dann einfach den Geldbeutel auf, fertig

Und dann ist da noch die Sache mit dem Gebietsschutz.
Auf jeden Fall. Wenn eine Band bei Rock im Park spielt, bekommt die definitiv keine Genehmigung 6 Wochen später bei uns zu spielen. So ist das Spiel, was die Gagenstruktur betrifft und dem sind wir auch unterlegen. Natürlich spielen auch Bandpolitik und Karriereplanung eine Rolle. Wenn die bei Vertragsverhandlungen vorbringen können, dass sie bei dem und dem Festival als Co-Headliner gespielt haben, sind die natürlich viel mehr Geld wert.

Auf euren Bühnen findet alles von Hardcore über Punk bis Ska statt. Worauf achtest du bei der Zusammenstellung des Line-ups?
Mir ist die Mischung wichtig. Und das unser Festival so pur bleibt, wie es auch draufsteht. Ich versuche einen gesunden Mix aus gestandenen Bands wie Social Disortion und jungen Bands zu kreieren. Ebenso mag ich es, den Timetable so zu gestalten, das junge Bands direkt im zeitlichen Dunstkreis der nominellen Headliner spielen, um ihnen die Chance zu geben, vor einem großen Publikum auftreten zu können.

Wir analysieren dazu Facebook- und YouTube-Klicks oder Eventim-Daten um herauszufinden, wie angesagt ein Band gerade ist. Würde ich nur nach meinem privaten Musikgeschmack gehen, würden vielleicht nur 500 Leute kommen, die den eben teilen. Ich sehe mich da generell in der Rolle des Vermittlers zwischen Publikum und Bands, in dem ich ein Programm auf die Beine stelle, das einen gewissen Drive erkennen lässt, vom ersten Act des Tages bis zum letzten.

Wenn du es dir aussuchen könntest, welche Headliner würdest du gern mal auf eurer Bühne sehen?
Rancid. Aber die Jungs sind so schwierig zu kriegen. Diese Band tritt wirklich nur dort auf, wo sie wirklich Bock drauf hat. Die sind auf keine Festivals angewiesen.

Rancid auf unserer Bühne zu haben, das wäre für mich persönlich die Krönung.

Letztes Jahr gab es auch eine Art Pilgerwanderung. Mit einem Wanderführer vom Bahnhof zum Festival.
Genau, das waren meine beiden Kollegen von Hertlein, die haben sich das, mal wieder, in einer Bier-Laune ausgedacht haben. Es ist sehr gut angenommen worden. Nur war leider der Pilgerführer an dem Tag der betrunkenste von allen und ist mit den Pilgern einen ziemlichen Umweg gelaufen. Die haben die dreifache Zeit für diese Wanderstrecke gebraucht. Dennoch hatten alle einen Riesen Spaß.

Euch gibt es jetzt seit 4 Jahren. Was sind eure Pläne für die Zukunft, wohin wollt ihr euch noch entwickeln?
Wir haben die Zusage von der Gemeinde Giebelstadt, noch sechs weitere Jahre das Festival veranstalten zu dürfen. Es gibt natürlich immer die Option, das ganze Event noch größer aufzuziehen, wobei ich aber im Augenblick nicht dazu tendiere. Wir haben eine Spielgenehmigung bis zu 8.500 Personen, so wie der Platz aufgebaut ist und das Festival jetzt stattfindet. Es ist die ideale Größe, um dieses Mission-Ready-Feeling aufrecht zu erhalten. Alles andere danach finde ich zu groß, und dann würden wir uns von anderen auch nicht mehr sonderlich unterscheiden, was beispielsweise Service oder kurze Wege betrifft. Vor dem Begriff Shuttlebus graut es mir.

Wir sind gemeinsam hier, um uns gegenseitig eine schöne Zeit zu ermöglichen.

Auch beim Booking müssten Kompromisse her. Wir müssten mehr in die kommerzielle Richtung gehen.

Du hast jetzt schon ein paar Mal von dem Mission-Ready-Feeling gesprochen. Kannst du dieses Gefühl in Worte fassen?
Schau dir mal Live-Bilder von unserem Publikum an, da siehst du immer nur Smiling-Faces. Bei uns sind die Leute total happy, weil wir sie ernst nehmen. Ich glaube, das ist wirklich ein ganz großer Punkt. Wir hören uns ihre Fragen, Wünsche und Anregungen an und wir reagieren drauf.
Beispielsweise hatten wir in den ersten Jahren zu wenig Toiletten. Die Beschwerden haben wir ernst genommen. Das haben wir im zweiten Jahr dann geändert und das honoriert das Publikum dann auch. Wenn du aber eine Attitude an den Tag legst nach dem Motto "Danke, dass du mir deine 50€ gegeben hast, aber 20 Dixies kosten mir einfach zu viel Geld", dann werden die Gäste unzufrieden. Des Weiteren ist unser Bestreben, den Eintrittspreis so gering wie möglich zu halten. Natürlich könnten wir einfach zehn Euro draufschlagen und dass würde sicher einiges für uns einfacher machen, aber so sind wir halt nicht. Die Nähe, die ich am Zeltplatz zu jedem einzelnen Gast suchen, um dann auch zum 50. Mal die gleiche Frage zu beantworten, statt auf die AGBs zu verweisen. Ich mach das sehr gerne, weil ich den Leuten zeigen möchte, dass wir auf derselben Seite stehen. Wir funktionieren als Einheit, gemeinsam mit den Bands, den Menschen, die die Stände aufbauen und betreiben, dem Roten Kreuz. Wir sind gemeinsam hier, um ums gegenseitig eine schöne Zeit zu ermöglichen.

Gibts noch etwas, was du umbedingt loswerden willst?
Kommt auf das Festival, besucht uns, feiert mit uns, lasst uns zwei Tage zusammen Spaß haben, tolle Bands genießen, um die Mission-Ready-Familie noch größer werden zu lassen! Und dann sehen wir uns 2021 hoffentlich alle gesund und munter wieder.

Festivalfinder

Mission Ready Festival 2021

03. Juli 2021 - Giebelstadt


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