text Isabel Roudsarabi
fotos Thomas Schlorke & Leon Billerbeck
Die Anfänge des “Because We Are Friends“ Festivals erzählen sich wie ein Märchen: Zwei Kumpels mit einer Leidenschaft für gute Veranstaltungen finden ein perfektes Gelände in der Hamburger Umgebung und die Besucherzahlen übertreffen bereits beim ersten Mal die Erwartungen um ein Vielfaches.
Doch dieses Jahr wurde klar: der Erfolg lässt sich nicht so ohne weiteres reproduzieren. Schlechtes Wetter und starke Polizeikontrollen führen dazu, dass viele Ticketkäufer den Weg zum Festival nicht mehr auf sich nehmen wollen. Samstag früh muss das Team dann eine heftige Entscheidung treffen.
Und jetzt? Bis vor kurzem stand die Zukunft der Veranstaltung noch in den Sternen, mittlerweile ist jedoch klar, dass 2017 das letzte Jahr des Festivals gewesen sein wird.
Die Macher des “Because We Are Friends”, Lukas Tomko und Tom Hansen, erzählen von Träumen, Erfolg und Misserfolg und geben uns einen Einblick in ihre Arbeit.
Ein Rückblick auf drei Jahre Because We Are Friends Festival und ein Statement zur Zukunft
Stellt euch doch einmal kurz vor. Wer seid ihr und was ist eure Position beim Because We Are Friends Festival?
Lukas: Schon während des Studiums habe ich Festivals mit organisiert und ziemlich erfolgreiche Partys in Lüneburg und Hamburg veranstaltet. Es war für mich damals schon klar, dass ich gerne beruflich etwas in die Richtung machen würde. Später zog ich dann in Hamburg in eine WG mit Tom.
Tom: Wir haben uns direkt gut verstanden und irgendwann kam dann Lukas mit der Idee für das Because We Are Friends zu mir. Am Anfang waren es erstmal nur wir zwei, die sich um alles kümmerten. Von Booking über PR, der Website bis hin zur Produktion. Das wurde schnell zu einem Vollzeit Job, ohne Bezahlung, wohlgemerkt. Wir haben locker 16, manchmal 18 Stunden am Tag gearbeitet, 7 Tage die Woche.
Lukas: Wir hatten zwar Freunde die uns in bestimmten Dingen unterstützt haben, aber dass Tom und ich trotzdem mehr oder weniger allein für alles verantwortlich waren, hat sich in den drei Jahren nicht geändert.
Dafür, dass ihr die meiste Arbeit zu zweit gestemmt habt, lief das Festival 2015 und 2016 doch ziemlich professionell und erfolgreich, oder?
Lukas: Besonders das erste Jahr hat all unsere Erwartungen übertroffen. Wir haben schnell ein Gelände in der Nähe von Hamburg gefunden, in Luhmühlen, und alles, bis auf ein paar Kleinigkeiten, hat super funktioniert. Wir haben mit etwa tausend Besuchern gerechnet, am Ende kamen über doppelt so viele! Es war wirklich genial. Vielleicht haben wir uns nach so einem erfolgreichen Start aber auch ein bisschen überschätzt, was die Zukunft anging.
Der Grundstücksbesitzer und das Ordnungsamt waren zwar vollkommen zufrieden und eigentlich stand dem Festival 2016 nichts mehr im Weg, leider gab es jedoch wohl so viele Beschwerden von Anwohnern, dass wir letztendlich doch keine Genehmigung mehr bekamen und umziehen mussten.
In Jesendorf standen wir allerdings vor dem Problem, dass es dort überhaupt keine Infrastruktur gibt, also enorme logistische Kosten auf uns zu kommen würden. Wasser- und Stromleitungen mussten mit hohem Aufwand gelegt werden. Nach dem zweiten Festival standen wir dann schon vor finanziellen Problemen, hatten aber noch das Gefühl, Herren der Lage zu sein.
Was ist dieses Jahr denn dann schiefgelaufen?
Lukas: Dieses Jahr hat das Marketing unserer Meinung nach gut funktioniert. Die Ticketverkäufe liefen sehr viel besser als 2016, die Early Birds waren innerhalb von wenigen Stunden ausverkauft.
Das Wetter hat dann aber überhaupt nicht mitgespielt. Zwei Wochen vor dem Festival hat es angefangen fast ununterbrochen zu regnen, was den Aufbau um einiges schwieriger machte. Auch die Ticketverkäufe sind total abgebrochen. Dazu kam auch noch eine Unwetterwarnung für das Veranstaltungswochenende.
Immer mehr Leute wollten ihr Ticket verkaufen und es kamen kaum noch Neue dazu.
Tom: Wir haben dann nur geschaut, wie wir eventuell noch Kosten senken und was wir alles umplanen können. Bei manchen Problemen konnten wir leider nur improvisieren. Die Lieferungen, zum Beispiel, wurden immer schwieriger, weil die Firmen mit ihren Lastern nicht mehr durch den Matsch auf dem Gelände fahren konnten. Also mussten wir viele Dinge, wie Bauzäune oder Kabel von Hand über den Platz transportieren. Man kann sich vielleicht vorstellen was das für einen Mehraufwand bedeutet hat. Fast alle die am Aufbau beteiligt waren, sind an ihre Belastungsgrenzen gestoßen.
Lukas: Wir haben die befestigte Zufahrt zum Campingplatz, die irgendwann auch nicht mehr benutzbar war, unzählige Male mit Kies aufgeschüttet, aber kaum fuhren ein paar Autos drüber, mussten wir von vorne anfangen.
Geld hatten wir auch keins mehr. Immer wieder gab es neue Kalkulationen bei denen es nur noch darum ging, ohne eine Katastrophe übers Wochenende zu kommen. Also sparten wir an Dekorationen und Licht. Für uns war das sehr schade, aber irgendwelche Maßnahmen mussten ja getroffen werden.
Auf einmal standen dann auch Besucher und sogar DJs hinter den Tresen und haben unentgeltlich gearbeitet, um den Betrieb aufrecht zu erhalten.
Wie sah es dann aus, als die ersten Besucher auf das Gelände kamen?
Lukas: Wir waren immer noch damit beschäftigt, den Besuchern überhaupt die Fahrt auf das Gelände zu ermöglichen. Als die Leute dann endlich in ihren Zelten waren, trieb es viele am Freitag nicht mehr auf das matschige, verregnete Gelände. 40 Prozent der Ticketkäufer sind gar nicht erst angereist.
Dadurch haben uns dann aber leider auch massive Bareinnahmen gefehlt.
Samstag früh mussten wir traurigerweise realisieren, dass das Festival nicht mehr so weiter gehen kann. Alles musste umorganisiert werden. Also haben wir unser Team geweckt und uns stundenlang zusammen gesetzt um zu überlegen, wie wir vorgehen.
Das ganze war sehr emotional. Wir haben fast alle geweint, weil dann irgendwann feststand, dass wir den kommenden Headlinern absagen und zwei Bühnen komplett schließen werden müssen.
Wir waren pleite.
Tom: Ein paar Teammitglieder waren nur damit beschäftigt zu telefonieren, Mails zu schreiben und Nummern herauszusuchen um den Künstlern Bescheid zu geben. Das hat den ganzen Nachmittag gedauert. Und dann kam ja noch dazu, dass wir Bereiche sperren mussten und die Situation natürlich mit den Besuchern kommunizieren.
Lukas: Zwei Mädels aus unserem Team haben sich dazu bereit erklärt einen Info Point zu errichten und Rede und Antwort zu stehen. Nach ein paar Stunden kamen sie zu uns, mit Tränen in den Augen und meinten, dass die Leute sie die ganze Zeit umarmen, Geld spenden und betonen, wie schön es sei, dass wir das Festival trotzdem noch durchziehen wollen. Es ist so eine starke Solidarität uns gegenüber entstanden. Das hat uns unglaublich gerührt.
Tom: Auf einmal standen dann auch Besucher und sogar DJs hinter den Tresen und haben unentgeltlich gearbeitet, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Nur so konnten wir noch bis Sonntag durchhalten.
Vor kurzem mussten wir dann jedoch einen Insolvenzantrag stellen.
Es hat sich auch ein bisschen rumgesprochen, dass ihr mit einem sehr hohen Polizeiaufgebot zu kämpfen hattet. Was war denn da los?
Lukas: Es gab die krassesten Kontrollen, die ich in meinen ganzen Jahren als Festival Besucher je erlebt habe. Die haben jeden gefilzt, vom 16 jährigen Mädchen bis zu meinem 65 Jahre alten Vater, der uns am Sonntag besuchte. Jeder wurde behandelt als wäre er hochkriminell.
Zwischendurch wurden wir sogar von einem Polizisten bedroht. Als eine derer Planen verschwunden ist, drohte der Beamte einer Kollegin damit, dass gesamte Festival zu zersägen, würde diese nicht innerhalb der nächsten paar Minuten wieder auftauchen.
Tom: Unsere Shuttlefahrerin wurde während des Wochenendes 27 mal kontrolliert. Auch Künstler hat die Polizei teilweise stundenlang festgehalten, sodass sie zu spät zu ihren Auftritten kamen. Wir hatten das Gefühl, die Polizei möchte diese Kulturveranstaltung einfach nicht haben.
Lukas: So akut konnten wir dagegen auch leider nichts machen. Als alles vorbei war, haben wir eine Erklärung zu dem Verhalten abgegeben, nur geändert hat das natürlich auch nichts. Ich kann mir sogar vorstellen, dass einige Besucher nicht angereist sind, weil sie von den Kontrollen gehört haben. Außerdem haben uns die Beamten erheblich bei unserer Arbeit behindert.
Das klingt ja alles nicht so optimal. Was waren denn eure Gedanken und Gefühle nach dem Festival?
Lukas: Beim Abbau war das größte Problem, dass uns die Helfer fehlten. Die, die eingeplant waren kamen einfach nicht mehr. Wir standen da, zu zehnt oder zwölft, mit einem riesigen Haufen Schulden, und wussten nicht wo wir anfangen sollten. Am Montag waren wir sogar nur noch vier.
Tom: Das Wetter war auch immer noch nicht besonders gut.
Lukas: Da haben wir dann gecheckt, dass, so schön so ein Projekt auch sein kann, wenn es schiefgeht und man keine große finanzielle Absicherung hat, dann ist es echt schwierig die Sache und auch sich selbst da wieder rauszuziehen. Bis zuletzt haben wir aber trotzdem noch gehofft, dass es nächstes Jahr weiter gehen kann. Vor kurzem mussten wir dann jedoch einen Insolvenzantrag stellen, was bedeutet, dass es das Because We Are Friends Festival nächstes Jahr nicht nochmal geben wird.
Tom: Das ist für uns natürlich ziemlich hart. Wir haben ja auch selbst Eigenkapital investiert, dass wir nicht mehr zurück bekommen. Unsere anderen Jobs mussten wir auch aufgeben, um rund um die Uhr die Veranstaltung planen zu können. Nach so einer Situation, weiß man dann auch erstmal nicht mehr weiter.
Wie waren denn die Reaktionen der Besucher im Nachhinein? Haben euch noch Meinungen erreicht?
Tom: Es gab Viele, die uns gut zugesprochen haben und meinten, dass Festival trotzdem genossen zu haben. Solche positiven Nachrichten stärken einem dann schon nochmal den Rücken. Dennoch gab es logischerweise auch Beschwerden
Lukas: Ich verstehe die Kritik aber auch. Wenn ich nicht wüsste, was bei uns alles passiert ist, würde ich auch meckern. Mit einer offizielle Erklärung zur Zukunft der Veranstaltung wollten wir aber erstmal warten, bis wir uns sicher waren, was wir überhaupt sagen wollen.
Und wie geht der Weg jetzt für euch persönlich weiter?
Lukas: Ich möchte aus der Selbstständigkeit raus und auch endlich mal wieder etwas Freizeit genießen. Meine Hobbies habe ich für das Projekt fast vollständig aufgegeben und ich freue mich, mal wieder Dinge ohne Verpflichtungen zu tun, ins Kino gehen oder Bier trinken zum Beispiel.
Tom: Bei mir ist das ganz ähnlich. Ich arbeite jetzt halt um etwas Geld zu verdienen und mache Musik. Ich will nicht ausschließen, dass ich irgendwann, irgendwo nochmal was veranstalte, aber nicht in absehbarer Zukunft.
Lukas: Allerdings sind noch ein, zwei Soli-Parties für nächstes Jahr geplant. Mit den Gewinnen möchten wir all die Menschen, die wir nicht mehr auszahlen konnten, also das Barpersonal, Helfer und so weiter, wenigstens ein bisschen was zurück geben.
Ohne euch hätten wir das alles nicht geschafft.
Wenn ihr die letzten drei Jahre jetzt nochmal rückblickend betrachtet, würdet ihr alles anders machen? Glaubt ihr trotz der Schwierigkeiten hat sich der Aufwand gelohnt?
Tom: Klar würden wir Vieles anders machen, aber bereuen tue ich unsere Arbeit nicht. Über die Zeit hat sich die Konzeption und Umsetzung dieser Veranstaltung zu einem richtigen Traum entwickelt. Außerdem kann uns die Erfahrungen die wir gemacht haben, die Guten wie die Schlechten, keiner mehr nehmen. Dieses Gefühl, wenn man über das Gelände läuft und in strahlende Gesichter schaut, tanzende Menschen beobachtet und merkt, dass man den Leuten eine Freude gemacht hat, ist unglaublich erfüllend.
Auf der anderen Seite steht ganz klar das Finanzielle und Persönliche, dass man im Nachhinein wieder auf die Reihe bekommen muss.
Lukas: Wir sind auch stolz darauf, dass uns so ein wundervolles Team über die Jahre hinweg begleitet hat. Es war eben ein Event bei dem Freunde miteinander gearbeitet haben. Mehr Herzensprojekt geht nicht.
Möchtet ihr zum Schluss umbedingt noch etwas loswerden?
Tom & Lukas: Wir möchten uns in erster Linie bei Allen bedanken, die uns unterstützt haben. Teammitgliedern, Besuchern, Helfern, Personal und Künstlern, denjenigen, die Samstag noch geblieben oder sogar eingesprungen sind und sich für das Because We Are Friends aufgeopfert haben. Ohne euch hätten wir das alles nicht geschafft.
Speziell für dieses Jahr wollen wir uns auch entschuldigen, dafür, dass das Festival nicht so gelaufen ist, wie wir alle es erwartet haben.