interview Johannes Jacobi
fotos KarTent
Die meisten Großfestivals haben nach Ende der Sause mit Müllbergen und unzähligen zurückgelassenen Zelten zu kämpfen. Diesem an Nachhaltigkeit mangelnden Spektakel möchte die junge holländische Firma KarTent mit Zelten aus Pappe etwas entgegensetzen. Wer zu faul ist sein Zelt nach dem Festival wieder mitzunehmen, kann auf die – bei Ankunft bereits errichtete – Pappversion zurückgreifen. Nach dem Festival dann ab in den Pappcontainer und fertig. Wir wollten mehr über das spannende Projekt erfahren und haben mal nachgefragt.
Hallo Jan. Danke für deine Zeit. Stell dich doch bitte kurz vor. Name, Alter und was hast du vor KarTent gemacht?
Jan Portheine, 24, Abschluss in Architektur 2015.
Wann kam dir die Idee zu KarTent und was war ausschlaggebend bei der Entscheidung es durchzuziehen?
Während meines Abschlusses lernte ich Wout Kommer (Mitbegründer) kennen. Ich arbeitete gerade an einem Strandhaus aus Pappe für die Regierung, als wir auf ein Foto der zurückgelassenen Zelte beim Glastonbury stießen. Das war wohl der Moment, in dem uns die Idee kam. Wir waren beide vorher nie auf einem Festival, aber der Anblick war so schockierend, dass wir eine Lösung bieten wollten.
Wie ging es dann weiter bis zum ersten Prototyp?
Alles ging relativ schnell, denn Pappe ist ja ein leicht erhältliches Material. Als es dann an größere Prototypen ging, haben wir uns einen Produktionspartner gesucht. Bei uns läuft alles über learning by doing: am Anfang haben wir also im Garten in unseren Prototypen übernachtet.
Danach ging es ans Crowdfunding, oder? Wie lief das?
Besser als erwartet. Nach einer Woche ohne Promotion hatten wir unser erstes Ziel schon erreicht. Nach dem Start auf Facebook waren wir nach zwei Tagen voll.
Was war das Ziel und wie viel ist am Ende zusammengekommen?
Wir hatten uns 25.000 € erhofft und sind bei 50.000 € gelandet.
Ich nehme an, dass es dann zu Investoren und Festivals ging? Wie waren die Reaktionen?
Investoren waren kein Thema, aber wir hatten sehr viele Meetings mit Festivals. Anfangs waren alle sehr skeptisch, aber unsere Leidenschaft und Überzeugung hat geholfen. Wenn man an seine Sache glaubt, kann man sehr weit kommen.
Wo kamen eure Zelte dann erstmalig offiziell zum Einsatz und was habt ihr dabei gelernt?
Welcome to the Village waren die Ersten. Ein sehr innovatives Festival und immer offen für neues. Von ihnen konnten wir lernen wie wichtig es ist, mit neuen und kreativen Köpfen zusammenzuarbeiten. Wir sind seitdem immer offen für neue Ideen von anderen.
200 Festivals in 15 Ländern
Heute arbeitet ihr mit vielen Festivals in verschiedenen Ländern. Wie ist der aktuelle Stand?
Das Design für unser KarTent 3.0 ist gerade abgeschlossen und die neue Version wird noch diesen Sommer eingeführt. Außerdem haben wir mit Timo Krenn einen neuen Mitarbeiter im Team. Er hilft unseren Vertrieben und Partnern dabei, KarTent auch in anderen Ländern zu etablieren. Wir hoffen im Winter (bzw. ihrem Sommer) in Australien durchzustarten.
Was ist neu an der 3.0 Version und auf wie vielen Festivals in wie vielen Ländern wird es euch dieses Jahr geben?
Viel daran ist neu. Besonders Aufbauzeit und Transport- und Produktionseffizienz waren uns wichtig. Und wir streben gerade 200 Festivals in 15 Ländern an.
Warum wirkt es so, dass Festivals in Deutschland (abgesehen von wenigen Ausnahmen) noch kein großes Interesse zeigen?
Bisher fehlte uns ein passender Partner, um in Deutschland einzusteigen. Dieses Jahr wird es uns aber auf ein paar westdeutschen Festivals geben und wir führen aktuell Gespräche mit einem sehr gut passenden Partner.
Was ist euch denn wichtig bei der Partnersuche?
Die Fähigkeit lokale Partner zu rekrutieren und anzulernen und die Berücksichtigung/ Einhaltung der Brand Identity.
Schneller Ausstieg, keine Befestigungsseile über die man stolpern kann und keine Brandwunden.
Wie steht’s um Sicherheitsbestimmungen? Zelte allgemein sind ja leicht entflammbar, aber man könnte annehmen, dass es bei Pappzelten noch eine Nummer spannender wird?
Das ist ein lustiges Thema. Die meisten nehmen an, dass wir normalen Karton benutzen. Tun wir aber nicht. Unsere Pappe ist um einiges dicker, schon allein damit kein Wasser durchkommt. Außerdem ist es dadurch unmöglich, es mit einem Feuerzeug oder einer Zigarette zu entzünden. Es brennt nicht weiter. Andere sehr überzeugende Argumente waren der schnelle Ausstieg, keine Befestigungsseile über die man stolpern kann und keine Brandwunden im Vergleich zu herkömmlichen Zelten.
Ich meine auf eurer Website gelesen zu haben, dass eure Zelte locker vier Tage Regen standhalten können. Hattet ihr schon Festivals mit schlechtem Wetter und wie ist es gelaufen?
Das sollte eigentlich nicht mehr auf unserer Website zu finden sein. Vier Tage waren ganz am Anfang unser Argument, um Leute zu überzeugen. Inzwischen liegt der Rekord bei 2,5 Monaten. Abgesehen von einem trockenen Festival hat es bisher überall geregnet. Es gab aber nur kleine Probleme – zum Beispiel wenn jemand seine Tür offengelassen hat.
Die äußere Lage kann sehr viel Wasser aufnehmen und dadurch bleibt die Innere trocken.
Es hält also offensichtlich dem Regen stand. Wie schaut’s aus, wenn der Boden schlammig und aufgeweicht ist?
Es kommt keine Nässe durch. Die äußere Schicht läuft voll und kann irgendwann kein Wasser mehr aufnehmen.
Wie kann man sich das vorstellen? Es gibt mehrere Lagen und die innere Lage bleibt trotz der nassen äußeren komplett trocken?
Es gibt keine äußere Beschichtung oder so. Es dauert einfach sehr lange, bis das Wasser alle Lagen erreicht. Die äußere Lage kann sehr viel Wasser aufnehmen und dadurch bleibt die Innere trocken und das Zelt bleibt stabil.
Bisher gibt es KarTent nur als bereits aufgebaute Version auf Festivals, richtig? Soll es bald auch eine Version für Privatpersonen zum Bestellen geben?
Schau mal auf unsere Seite. Wir haben einen neuen Webshop, auch wenn die Größe natürlich ungünstig und teuer für den einzelnen Transport ist. Wir arbeiten aber an einer tragbaren Version, welche leichter zu transportieren sein wird.
Wird auch an anderen Materialien oder Formen/ Größen gearbeitet?
Neue Größen auf jeden Fall. Letztes Jahr haben wir schon ein Kinderzelt entwickelt und Zelte für Tiere folgen bald.
Rückblickend, vom Tag der Idee bis heute, was war besonders schön und was war der schlimmste Moment?
Das Beste ist eindeutig, dass wir Leute von unserer Idee überzeugen konnten und uns viele ihre Hilfe angeboten haben. Das schlimmste Erlebnis war wohl, als wir Zelte mal im Hagel aufbauen mussten.
Zelte für Tiere folgen bald.
Wie geht’s weiter? Was geht für KarTent im Jahr 2017?
Hoffentlich Australien, Südafrika und Brasilien.
Vielen Dank für das Interview. Letzte Worte?
Ich bin immer offen für neue Ideen und freue mich anderen bei der Umsetzung ihrer Projekte zu helfen.
Ihr wollt mehr wissen oder euch connecten?
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