Viele Geschichten wurden schon erzählt über die Institution Haldern Pop Festival, das 2019 bereits zum 36. Mal stattfand. Bei all der Tradition fällt es schwer, sich diesem Kosmos als Besucher*in unvoreingenommen zu nähern. Gibt es nach nunmehr fast vier Jahrzehnten ein typisches Erlebnis „Haldern Pop“? Und wenn ja, wie fühlt es sich an und wie sieht es aus? Unser Redakteur hat sich am Niederrhein auf die Spurensuche begeben.
text Robin Hartmann
redaktion Jonas Rogge
fotos Till Petersen
Auf den ersten Blick aus dem Fenster unseres Wagens – wir entscheiden uns mehr oder weniger unbewusst für das Auto – birgt Haldern erst mal mehr Beschaulichkeit als Spektakel. Es führt eine lange, schlaglöchrige Straße neben grünen Feldern und einem Bauernhof entlang, hier und da steht ein Wohnhaus mit Vorgarten. Auf der Weide zur Linken grasen ein Dutzend Kühe und dieser Anblick ist so friedlich und unschuldig, dass wir glatt vergessen ins Dorf zu fahren, um unsere Bändchen abzuholen. Am Autoeinlass angekommen, erschließen sich dann zwei Dinge: Man sucht vergeblich nach dem erwarteten Parkplatz und die Menschen am Einlass sind wirklich not amused, dass wir unsere Bändchen noch nicht haben. Nach kurzer Diskussion werden wir aber trotzdem eingelassen und sehen, dass es hier also Camping mit Parkplatz inklusive gibt – und zwar auf dem gesamten Feld. Wir beteiligen uns fröhlich am Auto-Tetris und schaffen es unseren Wagen schließlich zwischen zwei Wohnmobilen zu parken, die keine Ausfahrt blockieren und deren Bewohner*innen aussehen, als würden sie mein 5-Freunde-Hörbuch zum Einschlafen tolerieren. Aus Freude über die gelungene Anreise öffnen wir das erste Bier und drehen das Korobeiniki-Thema im Autoradio auf – die Bausteine unserer Parkreihe aus Wohnwagen, Zelt, Auto, Wohnwagen buchstabieren aus der Vogelperspektive “L. O. S. T.” Dies ist der Beginn eines gelungenen Wochenendes.
Gerade fertig eingerichtet, geht das Programm schon fast los. Wir nehmen uns vor, die verbleibende halbe Stunde zu nutzen, um das Gelände ein wenig zu erkunden. Es ist, wie erwähnt, der erste Besuch in Haldern und eigentlich hatten wir erwartet, hier mit Mitte 20 eher am unteren Ende des Altersspektrums zu rangieren. Das bestätigt sich an diesem Wochenende zwar tendenziell – viele der Besucher*innen kommen seit Jahren oder Jahrzehnten jährlich wieder – trotzdem ist das Publikum weitaus diverser als ursprünglich angenommen.
Während ich darüber nachdenke, sind wir schon an der letzten Reihe Dixiklos vor dem Einlass angekommen. Auf einer der Toiletten findet sich ein Panini-Sticker eines jungen Günther Jauch an die Innenwand geklebt; der könnte hier theoretisch auch vor 30 Jahren von ihm persönlich angebracht worden sein. Wir vergeben einen Pluspunkt für die charmante Deko, ich aber entschließe mich trotzdem Günther für den Rest des Tages zu entführen und auf dem Brustbein zur Schau zu stellen. Ein paar Schritte weiter und am Gelände angekommen türmt zur Rechten sofort das Prunkstück des Haldern, zumindest wenn man den Geschichten glaubt: Das Spiegelzelt. Bevor hierzu später ein paar mehr Worte verloren werden, stehen wir erst mal an, um dort den Opening-Act Palace zu sehen.
Von dem gerade gekauften Morgenkaffee in meiner Linken wird in Haldern nur noch die Hälfte übrig sein, ohne davon getrunken zu haben.
Ja, man muss hier tatsächlich für den Einlass zur Bühne anstehen. Am Zelteingang warten stets Volunteers, die mit Klickern ausgestattet die Anzahl an Menschen im Zelt regulieren. Dieses fasst wohlgemerkt nur gut 800 der etwa 6.000 Gäste. Für alle, die während eines Konzerts deshalb draußen bleiben müssen – und einige der Highlights des Line-ups spielen bewusst auf dieser Bühne – wird das Spektakel auf einer Großleinwand übertragen; direkt dort, wo sich auch Teile des Food- und Merch-Courts befinden. Ich freue mich sofort darauf, hier am Abend mit einem Falafel-Wrap bewaffnet zum Robocobra Quartett zu schunkeln.
Als der Abend im Spiegelzelt dann endet, also dort, wo er musikalisch auch begonnen hat, liegen wir schon im Zelt, denn die Acts am Freitag erfordern höchste Aufnahmebereitschaft. Unsere Wohnwagennachbar*innen beschweren sich tatsächlich nicht über „Die Fünf Freunde auf dem Pfad der Küstenschmuggler“ und wir schlafen erstaunlich gut und schnell ein.
Am nächsten Morgen – der Himmel ist tiefgrau und lässt Böses erahnen – entschließen wir uns zunächst das Programm im Dorf und den dortigen Supermarkt auszuchecken. Wie erahnt, beginnt es auf dem Weg dorthin zu regnen. Zwar ist die Strecke entlang der Landstraße in den Ort Haldern relativ kurz, doch der plötzliche Wolkenbruch zwingt uns in einen sportlichen Laufschritt. Von dem gerade gekauften Morgenkaffee in meiner Linken wird in Haldern nur noch die Hälfte übrig sein, ohne davon getrunken zu haben. Während des zehnminütigen Zwangsjoggens fällt uns auf, dass einige der Anwohner*innen, vornehmlich Kinder unter Aufsicht ihrer Eltern, dieses Augustwochenende dafür nutzen, den Besucher*innen allerlei Nützliches oder Selbstgebasteltes zu verkaufen. Auch im Regen sind hier und da noch ein paar Stände auszumachen. Regenponchos scheinen ein Kassenschlager zu sein.
In Haldern angekommen ist unser erstes Ziel der örtliche Norma, wo wir uns mit mit Erdnussflips und Remoulade eindecken. Der Einkaufsladen liegt praktischerweise direkt neben der Ortskirche St. Georg, die tagsüber als Konzertvenue fungiert. Neben der Kirche werden auch die örtliche Haldern Pop Bar, das Tonstudio und das Jugendheim hier kurzerhand zu Spielorten; alles fußläufig zu erreichen. Zwar ist es manchmal schwierig, noch einen Platz in den überschaubaren Räumlichkeiten zu ergattern, doch die allgemeine Atmosphäre und Freundlichkeit der Anwohner- und Mitbesucher*innen tröstet darüber hinweg, dass wir Gurr heute nicht durch das Jugendheim stagediven helfen. Wir waren eben zu spät dran.
Apropos Anstellen: Nach der kurzen Besichtigungstour beeilen wir uns, einen Platz in der Schlange zum Einlass in die Kirche zu ergattern. Die Menschen stehen schon eine halbe Stunde vor Beginn um mehrere Ecken die engen Straßen entlang. Dieses Mal muss ich unwillkürlich an Snake denken, kann mich aber Gott sei Dank nicht an die Titelmusik erinnern, wenn das Spiel überhaupt eine hatte. Nach einiger Wartezeit – der Regen hatte immerhin vorübergehend aufgehört – schaffen wir es in das imposante Innere und nehmen Plätze auf einer Bank links der Bühne ein. Hier spielt in wenigen Minuten Soap & Skin mit Unterstützung des Orchesters stargaze. Man kann sich vorstellen, wie atemberaubend die mystische Stimme der österreichischen Songwriterin in diesem Ambiente wirkt.
Es ist der vielleicht fesselndste und emotionalste Auftritt des Wochenendes, bei dem auch Franziska Plaschg selbst ihre Ergriffenheit nicht unterdrücken kann. Gegen Ende des Sets gibt sie sogar das ursprünglich mit Apparat entstandene „Goodbye“, das vielen vielleicht als Titelmusik der deutschen Netflix-Serie "DARK" bekannt ist, zum Besten. Zu meiner Rechten erblicke ich anstatt meiner Begleitung plötzlich die 33 Jahre ältere Version meiner selbst, stelle dann aber fest, dass es nur der Norma-Verkäufer von vorhin ist. Zumindest weiß ich jetzt mit Gewissheit, wohin mein geisteswissenschaftliches Studium mich führen wird. Ganz schön kontemplativ und bewusstseinserweiternd, diese Atmosphäre in der Kirche. Danke Franziska!
Nachdem wir unsere Tränen verwischt und unter Standing Ovations die Kirche verlassen haben, erfahren wir, dass der Regen zurückgekehrt ist und, dass dieses miese Wetter beim Haldern wohl ebenso sehr Tradition hat wie die spirituelle Erfahrung in der Gemeinde St. Georg. Man hört Geschichten von Treckern, die jährlich Autos aus dem Matsch ziehen, und von ausverkauften Ponchos. Derweil laufe mit einem zerstörten Müllsack als Kleidung durch die Gegend. Dieses Jahr bleibt der Freitag jedoch der einzige, der nass ist.
Günther ist verschwunden.
Schließlich wieder am Zeltplatz angekommen laufen die letzten Vorbereitungen für den Abend an. Das heißt in diesem Fall vor allem, die Erdnussflips als Lebensgrundlage für die kommende Nacht zu inhalieren und die Remoulade doch lieber gegen Ravioli einzutauschen. Zum Sonnenuntergang begeben wir uns dann zurück zum Gelände. Ich schaue an meiner Jacke herunter: Günther ist verschwunden. Ich muss ihn bei unserem Ausflug ins Dorf verloren haben, denn sonst ist die Jacke noch dieselbe. Mit Günther im Geiste lassen wir uns am Eingangsbereich von einem stabil betrunkenen Mitbesucher über die eigene Smartphonekamera ablichten. Es ist das obligatorische Gruppenbild vor dem gigantischen Haldern Pop-Logo, für das man hier zur falschen Zeit fast anstehen muss. Unser gecharterter Fotograf bekommt es hin, kein einziges Bild scharf oder in der Horizontale zu knipsen, weshalb durch das Drehen der Bilder in der Nachbearbeitung immer nur noch zweieinhalb anstatt drei Menschen zu sehen sind. Wir sind trotzdem zufrieden und entschließen uns, später einfach zwei der Schnappschüsse aneinander zu kleben.
Als wir anschließend das Gelände betreten, wird es nach kurzem Abstecher zum post-post-meta-ironischen Vollbartgottesdienst von Father John Misty Zeit, sich Ernsterem zu widmen: Dem Spiegelzelt. Auf dem Timetable heißt die Bühne interessanterweise „Spiegeltent“; hier schonmal eine Entschuldigung, sollte das der traditionelle Languagegebrauch in Haldern sein. Schon während der Acts auf der Hauptbühne fiel auf, dass viele Künstler*innen stolz erwähnen, bei ihrem Erstbesuch noch im Spiegelzelt aufgetreten zu sein.
Mit gewissen Erwartungen an das nächste große Ding treten wir also erneut ein. Soeben senkt sich die Sonne am Horizont, ihr Licht bricht sich in den getönten Fenstern, die im Rund über dem Bühnenbereich und den Sitzgelegenheiten für natürliche Beleuchtung sorgen. Es ist tatsächlich ein atemberaubender Moment, nicht nur weil es durch das schon beschriebene Gedränge hier besonders stickig ist.
Wir mogeln uns gemeinsam in die Menge. Auf der Bühne stehen derweil Woods of Birnam und sorgen für meine zweite Epiphanie an diesem denkwürdigen Tag, als Sänger Christian Friedel „I'll Call Thee Hamlet“ anstimmt. Plötzlich kann ich mir Joshua Tillman als Shakespeare-Verschnitt gut als Dirigenten vorstellen; dass das Father John Misty-Konzert parallel stattfindet, ist also definitiv eine verschenkte Chance. Außerdem fällt mir auf, dass Woods of Birnam den Song 2014 schon im Staatsschauspiel Dresden spielten, wo Friedel damals noch regelmäßig als Hamlet auf der Bühne stand und ich an einem dieser Oktoberabende im Publikum saß. Weil mir der Name der Band von damals bis zu diesem Moment entfallen war, begeistert mich all das im Schweißnebel so sehr, dass ich sofort allen Menschen um mir herum ungefragt davon erzählen muss. Ein paar genervte Blicke später entgegnet mir dann jemand, dass die Musiker alle früher bei Polarkreis 18 aktiv waren und ich doch bitte die Klappe halten soll. Ich bedanke mich für die Information und halte die Klappe. Allein, allein genieße ich den Rest des Auftritts.
Schließlich treffen hier augenscheinlich zwei Welten aufeinander: Die Stadt auf das Dorf, Arbeiterklasse auf Mittelstand, Badehosen auf Denim-Jeans, wilde Gesichtsbehaarung auf gepflegte Dreitagebärte.
Ein bisschen in Trance schließlich – einen kontrastreich düsteren (Fontaines D.C.) sowie klangfrohen (Sophie Hunger) Auftritt später – stehen wir gegen Mitternacht im Scheinwerferlicht der Mainstage und lassen uns von einem ungekämmten Briten in blauer Badehose mit rosa Blümchenmuster anschreien. Dieser steht wohlgemerkt auf der Bühne und testet eigenwillig die Kapazitäten seines Mikrofons. Es handelt sich um Idles-Gitarrist Mark Bowen. Die Band zaubert einem schon vor Beginn des Konzerts ein fettes Grinsen auf das Gesicht, indem sie ihren Soundcheck kurzerhand selbst abwickeln und dabei so wenig ernst nehmen, wie man sich das von Punks eben erhofft. Irgendwer erzählt mir währenddessen, dass Bowen im Alltag vor dem kommerziellen Erfolg mal Zahnarzt war. Ob nun Wahrheit oder ein guter Internet-Joke, ich bin froh, dass er seine Wut nun an einem schmucken Stratocaster auslassen kann anstatt an Großmutter Margareths faulem Backenzahn. Besser klingen tut das ganze noch dazu.
Bevor Idles, diesmal für ihren eigentlichen Auftritt, erneut die Bühne betreten, frage ich mich skeptisch, ob das Haldern-Publikum bereit für den bevorstehenden, grandiosen Krach ist. Schließlich treffen hier augenscheinlich zwei Welten aufeinander: Die Stadt auf das Dorf, Arbeiterklasse auf Mittelstand, Badehosen auf Denim-Jeans, wilde Gesichtsbehaarung auf gepflegte Dreitagebärte und – besonders in diesen Zeiten des damals noch bevorstehenden Brexit – England auf Europa. All diese Widersprüche nutzen die fünf Jungs aus Bristol jedoch für sich, in einem Set, das den Frust über eben jene Zeiten der Spaltung, des Schwarz-Weiß-Denkens und politischer Instrumentalisierung als Katalysator nutzt; für ein lautes Statement der Solidarität. Immer wieder entschuldigt sich Sänger John Talbot während des Konzerts für den Brexit, drückt seine Liebe für Europa und den Rest der Welt aus, erzählt eine Anekdote zur Bedeutung von Migranten für unsere Gesellschaft oder beginnt den Titel „Mother“ mit den Worten: „This is what five feminists look like“, während er auf sich und seine Bandkollegen deutet. Das schöne an diesen Aussagen ist, dass sie glaubwürdig sind. Während des Konzerts gibt es für eine Weile keinen Platz für auseinandertreibende Stereotype und der subtile Widerspruch zwischen deutscher Landidylle und progressivem Gedankengut tritt in den Hintergrund. Als Bowen schließlich halbnackt durchs Publikum bis zum Technikturm crowdsurft und alle mithelfen, werfe endlich auch ich meine eigenen Vorurteile über den Haufen und dränge mich zum Finale nach vorne ins Publikum. Gerne darf man auch in Zukunft mehr Politik auf Festivals zu sehen und nicht nur zu hören bekommen.
Nachdem Idles unsere Seele durchgeschüttelt haben, schlafen wir für eine Nacht im Zelt vergleichsweise selig und erwachen an einem extrem windigen, aber sonnigen Samstag. Es ist der letzte Tag des Haldern, das wie immer schon am Donnerstag begonnen hat. So richtig raus trauen wir uns trotzdem erst gegen Nachmittag, nach einer hoch intensiven Partie Wizard, an dessen Ende wir feststellen, dass uns die gesamte Zeit über eine Karte im Deck gefehlt hat und man das Ergebnis eigentlich nicht werten kann. Wir nehmen das also als Omen unsere schmerzenden Wirbelsäulen zu erheben und gen Gelände zu schleppen. Inzwischen haben unsere Nachbarn ihren Wohnwagen schon ausgeparkt und sitzen an einem kleinen Klapptisch rechts von uns zusammen, sodass sich die Szenerie aus der Luft perspektivisch verändert hat und nun “L.O.L.” liest.
Ein Auftritt, der beweist, dass Message und Ausdruckskraft der Musik nicht auf das Verständnis der Sprache angewiesen sind.
Wirklich witzig ist an diesem Tag aber vor allem der abschließende Spiegelzelt-Auftritt von Haiku Hands. Auch wenn wir dort in Sachen Energie schon gebeutelt am Limit gehen, verlangt uns das maskierte Quartett aus Australien nochmal alles ab. Schon vor dem Konzert treffen wir in der Menge eine Gruppe Niederländer, die uns fragen ob wir wissen „wie man sich denn richtig bückt“. Ein bisschen perplex von der Frage bücken wir uns alle kurzerhand gemeinsam und bewerten gegenseitig die Haltung. Ich merke, dass meine Beine chronisch unterdehnt sind und verstehe noch nicht ganz, worauf hier überhaupt angespielt wird, da ich eigentlich nur auf Empfehlung eines Freundes bei diesem Gig stehe. Es stellt sich heraus, dass unsere Amsterdamer Freunde sich mimetisch auf den Song „Squat“ vorbereitet hatten, der kurz darauf zu Beginn des Sets durch die Lautsprecher boomt. Dass „Squatten“ eigentlich „in die Hocke gehen“ bedeutet, ist in diesem Moment dann auch egal, denn ich bücke mich bereits mit 100 BPM auf und ab.
Weitere Highlights an diesem Tag sind musikalisch u.a. die beiden Rap-Acts Loyle Carner und Alyona Alyona. Während ersterer die Mainstage kurzerhand in ein stilsicheres Wohnzimmer verwandelt und über lässigen Beats bei Sonnenuntergang aus seinem Leben erzählt, umgeht letztere jegliche Konventionen. Alyona Savranenko steht am frühen Abend unter deftigen Trap-Beats auf der Bühne des Spiegelzelts und rappt dabei über so etwas wie das osteuropäische Pendant zu mom's spaghetti; wohlgemerkt auf Ukrainisch. Es ist ein charismatischer und vom Publikum frenetisch aufgenommener Auftritt, der nicht nur beweist, dass es mehr Aufmerksamkeit für Frauen* im Rap benötigt, sondern auch, dass Message und Ausdruckskraft der Musik nicht auf das Verständnis der Sprache angewiesen sind.
Mit diesen letzten Eindrücken verlassen wir also das Haldern Pop 2019. Auf einem finalen Rundgang bedanken wir uns, während Balthazar dahinträllern, bei den 1A-Keramiktoiletten, stehlen eine letzte Napolipizza, die niemand wollte, bevor sie kalt wird von einem der vielen Foodtrucks im Rund um die Mainstage und atmen tief den Duft der Nebelmaschinen ein, die dort soeben ein letztes Mal für dieses Jahr ausatmen. Es ist ein wirklich schmucker und angenehm friedvoller Ort, dieses Haldern, auch oder gerade dann, wenn sich die Einwohneranzahl für ein paar Tage verdoppelt. Auf dem Weg zurück in die (Zelt-)Vorstadt begegnen wir einer im schummrigen Licht amorphen Gruppe Feierwütiger, die am Feldrand einen Ghettoblaster aufgestellt haben, aus dem laut Chubby Checker erklingt. Unter dem Licht der Laterne haben sich dort um die 30 Menschen eingefunden, entschlossen das Festival gemeinsam tanzend ausklingen zu lassen. Immer wieder lösen sich einige Personen und gehen zu ihren Zelten, während sich andere gerade neu anschließen. Da meine Beine vom Squatten noch immer schmerzen, lassen wir diesen letzten Tanz aus, geben aber unwillkürlich ein Versprechen an das dann 37. Haldern Pop Festival: Oh, let's twist again like we did last summer.