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Von gesprengten Toiletten und Applaus für den Lichttechniker

Die Macher vom Haldern Pop Festival (Teil 1)


 
 

interviews Johannes Jacobi
fotos Felix Strosetzki

Ihr fahrt mit dem Schlagzeuger Eiswürfel kaufen und zieht 20 Autos aus dem Schlamm? Ihr spielt Verkehrspolizist im Backstage und bekommt Applaus für Kronleuchter? Dass das Haldern Pop als Juwel unter deutschen Festivals gilt, liegt auch an den Menschen dahinter – Grund genug, ein paar davon zu treffen.

 

Hans Jürgen / 54 / Grevenbroich / Stage Manager (Mainstage)

Wie oft schon auf dem Haldern Pop und wie kam es dazu?
Wir sind jetzt beim 33sten Haldern Pop, deshalb schätze ich mal 31. Seit ’85 bin ich dabei. Ich hab damals als Tontechniker gearbeitet. Alles war natürlich noch ein bisschen kleiner als es heute ist und wir haben das ganze Festival mit drei oder vier Technikern betreut. So nach und nach wurde es immer größer und ein einzelner Techniker konnte sich nicht mehr um alles kümmern, also machte dann jeder das, was er am besten konnte. Ich war schon immer ganz gut darin Sachen zu koordinieren, so wurde ich dann nach und nach zum Stagemanager.

Was waren gestern für dich die größten Baustellen?
Das waren die letzten beiden Acts. Sowohl Jack Garratt als auch Damien Rice (beide sind alleine auf der Bühne) haben einen dermaßen großen Aufbau und lustigerweise gar keine Tonanalagen. Die bringen also ihre eigenen Lichtanlagen mit, um sich selbst in Szene zu setzen. Wobei ich sagen muss, dass die Lichtanlage hier auf dem Haldern schon seinesgleichen sucht. Natürlich in Relation zur Größe des Festivals.

Hier ist es sogar mal passiert, dass eine Lichtinszenierung Applaus bekommt.

Müsste Anfang der 2000er gewesen sein. Da hatte der Rolf so einen speziellen Effekt für eine Band miteingebaut. Einen riesen Kronleuchter auf der Bühne, der zu einem bestimmten Zeitpunkt anging. Es gab riesen Applaus, das Publikum drehte sich zum Lichtturm um und der Applaus ging direkt an Rolf.

Was steht heute noch an, was ist der größte Punkt auf deiner Tagesordnung?
Von den Kanälen her wird es wahrscheinlich Michael Kiwanuka. Vom Aufwand der Korrespondenz im Vorab wird es Glen Hansard sein. Sicher weiß ich das aber erst am Ende des Tages. Also auch mit Leuten wie Jack Garratt oder Damien Rice, die mit einem riesigen Aufwand gekommen sind, hatten wir gar nicht so viel Arbeit, weil die ihre eigenen Techniker dabei hatten und sehr gut organisiert waren. Es sieht riesig aus und völlig chaotisch, aber bringt uns relativ wenig Arbeit. Bei einer Kapelle die den halben Aufwand hat, dafür aber nicht vorbereitet ist, müssen wir flexibel sein und das wirft uns dann viel eher mal zeitlich nach hinten.

Gibt es für dich selbst noch Herausforderungen?
Also meine Aufgabe als Stagemanager ist es, alle Bands auf die Bühne zu schicken und die da auch wieder heil runter zu holen. Die größten Hürden sind gar nicht mal so sehr die technischen Aufgaben, sondern viel mehr die Herausforderungen auf dem Platz. Eigentlich bin ich hier eher Verkehrspolizist. In dem Moment, wo kein Unfall passiert und kein Stau entsteht, habe ich gewonnen.

Das Beste und das Schlimmste an deinem Job hier beim Haldern?
Das Schlimmste ist eigentlich, wenn ich im Nachhinein gefragt werde, wie ich Konzerte fand. Da kann ich immer nur mit den Schultern zucken und sagen: „Hab ich nicht gehört.“ Ich arbeite die ganze Zeit auf der Bühne und höre die Musik zwar, kann mich aber nicht drauf einlassen. Ich kann weder abschalten, noch kann ich mitfiebern. Dementsprechend kann ich die Musik auch nicht fühlen. Im Nachhinein ist es ein bisschen traurig, weil ich dauernd um meinen Job beneidet werde, aber ich bekomme von der Musik eben nichts mit.
Das Beste ist wohl: Jedes mal wenn die Band glücklich von der Bühne kommt, haben meine Crew und ich ein kleines Erfolgserlebnis. Das war auch vor 30 Jahren einer der Gründe, warum ich mit diesem Job angefangen habe. Du hast in diesem Job eben jeden Tag dein kleines persönliches Erfolgserlebnis.

Maike / 27 / Essen / Artistsupport (Mainstage)

Wie oft schon auf dem Haldern Pop?
Als Besucher einmal und zum Arbeiten sechsmal. Einmal davon im Merchandise, danach aber im Artistsupport.

Als Teil von einem Team oder wie läuft das?
Das teilt sich auf die Bühnen auf. Ich habe die letzten vier Jahre die Biergartenbühne betreut, aber dieses Jahr vertrete ich die Nora, die normalerweise den Artistsupport an der Mainstage macht.

Was war für dich gestern die größte Baustelle und wie wird es heute laufen?
Gestern war es noch relativ entspannt, weil nur vier Bands auf der Bühne waren.
Heute wird es sicherlich etwas stressiger, da ich die doppelte Menge an Bands betreue.

Gab es in den letzten Jahren irgendwelche skurrilen Situationen?
Eigentlich nicht. Da wir ein bisschen ab vom Schuss sind, kann man nicht immer gleich alles parat haben.

Manchmal wird es schon schwierig bei Wüschen wie Sekt mit Eis.

Es war der erste Tag und es gab einfach noch kein Eis. Da musste ich mit dem Auto ins Dorf und hab versucht Eiswürfel zu finden. Der Schlagzeuger ist sogar noch mitgefahren.

Das Beste und Schlimmste an deinem Job hier?
Das Schlimmste ist sicherlich der Schlafmangel. Das Beste sind definitiv die Leute. Ich komme hier jedes Jahr wieder her und es ist ein bisschen wie Weihnachten. Ich freu mich einfach das ganze Jahr drauf.

Könntest du dir vorstellen das beruflich zu machen?
Weiß ich gar nicht. Ich mach das schon unheimlich gerne, aber es ist auch sehr anstrengend. Nein sagen würde ich wahrscheinlich trotzdem nicht wenn ich gefragt werde. Trotzdem finde ich es nicht schlecht, dass mein normaler Job ein bisschen geregelter ist.

Das Schlimmste ist wohl, dass ich 50 Meter gehen muss, um meine Getränke zu kriegen.

Lukas / 28 / Haldern / Getränkelieferant

Wie oft schon hier beim Haldern Pop?
Puh, so 15 Jahre.

Was ist hier deine Positionsbezeichnung?
Ich bin der Getränkelieferant. Ich sorg hier für den Nachschub. Das mache ich schon seit vier Jahren. Davor eher so Kleinigkeiten wie Zäune auf- und abbauen, Getränke verkaufen…

Was machst du im normalen Leben?
Da bin ich Bauingenieur.

Was war deine größte Baustelle gestern?
Es sind ein paar Zapfanlagen kaputt gegangen, die mussten wir ersetzen. Ansonsten nur die üblichen Sachen wie Getränke nachliefern und schauen, dass alles läuft.

Und heute?
Heute gab es eine neue Lieferung. Ich sammle jetzt auch noch ein paar Pfandflaschen ein.

Und du kümmerst dich um alle Bars?
Genau. Wenn was ansteht kommt ein Funkspruch. Ansonsten sind natürlich auch immer Kühlwagen vor Ort. Da können sich die Bars auch direkt ihre Sachen raus holen. Wenn dann aber doch mal etwas fehlt, dann bringe ich das vorbei.

Beste und Schlimmste Seite an deinem Job?
Das Schlimmste ist sicherlich das Wetter. Also wenn es schlecht ist natürlich. Das Schönste ist, dass man viel mit unterschiedlichen Leuten zu tun hat. Das macht den Job so interessant.

Sebastian / 29 / Köln / Außenbeschallung Biergarten

Wie oft schon beim Haldern?
Das ist jetzt mein fünftes Jahr.

Was ist deine genaue Positionsbezeichnung?
Betreuung für die Außenbeschallung hier im Biergarten. Da kümmere ich mir vor allem um den Ton. Es gibt zwar auch eine Bildregie, aber die ist im Prinzip ein Selbstläufer. Das wird einfach von drinnen (Spiegelzelt) übertragen.

Was ist das Schlimmste, was dir passieren kann?
Wenn man ein bisschen Zeit investiert und das Ganze vor allem Wetterfest macht, ist das Schlimmste, was passieren kann, dass mal etwas umkippt. Jetzt habe ich ja auch einen Container, früher war das noch ein Anhänger, wo das Wasser durch alle Ritzen rein kam. Das war ein bisschen suboptimal mit den ganzen Geräten drinnen.

Das Schlimmste und das Beste an deinem Job hier?
Das wäre sicherlich meckern auf hohem Niveau. Aber das Schlimmste ist wohl, dass ich 50 Meter gehen muss, um meine Getränke zu kriegen haha. Das Beste ist die Atmosphäre auf dem Festival und das wird dir sicherlich jeder der Kollegen bestätigen.

Hatte sich schön festgefahren und konnte seinen eigenen Abschlepphaken nicht wiederfinden.

Christian / Haldern / 31 / Allrounder

Seit wann bist du hier dabei und was sind so die Aufgaben?
Seitdem ich 16 bin. Wir sind hier die Allrounder. Wir machen alles!

Was steht dieses Jahr besonders an?
Autos rausziehen und Entsorgungsdienst.

Wie viele Autos hast du heute schon rausgezogen?
Heute so 15-20.

Ist das normal?
Nein, normal ist es, gar keinen rauszuziehen.

Ist heute schon irgendwas besonders lustiges oder doofes passiert?
Heute Nacht kam ein neuer, weißer Mercedes, der sah danach aus wie Sau. Hatte sich schön festgefahren und konnte seinen eigenen Abschlepphaken nicht wiederfinden.

Was machst du im normalen Leben?
Da bin ich Landwirt.

Hast du ein eigenes Gehöft hier?
Ja, genau hier in der Nachbarschaft.

Welche Geschichte ragt für dich heraus in den letzten Jahren?
In den Anfangsjahren haben wir den Entsorgungsdienst gemacht, da hatten wir noch keine professionellen Toilettencontainer sondern Toilettenwagen mit Behälter unten drunter. Da wurde einmal leider nicht auf „saugen“ gestellt, sondern auf „drücken“.

Da hat ein Kollege dann die ganzen Toiletten gesprengt.

Schlimmster und bester Teil an deinem Job hier?
Wenig Schlaf und das Erlebnis mit den Leuten.

Könntest du dir vorstellen das hier hauptberuflich zu machen?
Ne, dafür bin ich mit Leib und Seele Landwirt!