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Erinnerungen vom Feel Festival

Warmtanzen zwischen Raum und Zeit


Einen kleinen Traum in Brandenburg verspricht uns jedes Jahr aufs Neue das Feel Festival am Bergheider See. Glitzernde, strobolicht-durchtränkte Bilder erscheinen vor dem inneren Auge, wenn wir uns das letzte Festival noch einmal in Erinnerung rufen. Gerade weil wir diesen Sommer darauf verzichten müssen, wird es Zeit, das Feel 2019 noch einmal Revue passieren zu lassen.

text Celina Riedl
redaktion Henrike Schröder
fotos Celina Riedl, Marco Lehmbeck

lesezeit 5 Minuten

In altbekannter Festivalausstattung geht es an einem brühend heißen Tag Anfang Juli in Richtung Bergheider See. Schon die Reise dorthin ist eine kleine Party für sich. Wenn man es richtig gemacht hat und einen Platz im Bus ergattert hat, ist sie auch gar nicht so anstrengend. Der Bus bringt einen direkt bis vor die Pforten des Geländes und der Busfahrer hat für die Fahrt durch die brandenburgischen Dörfer schon die passende Playlist dabei: Techno auf den Ohren, das erste Bier in der Hand und ab geht’s Richtung Feel.

Wer am Donnerstag, dem ersten Festivaltag, schon früh genug da ist, hat keine Probleme, einen guten Platz für Zelte und Pavillon zu finden. Trotzdem heißt es erst einmal schleppen – bei glühendem Sonnenschein über die staubigen Wege des Zeltplatzes. Aber wir haben Glück, dass wir noch im Trockenen aufbauen können. Regengeschützt unter dem Camp-eigenen Pavillon können wir so die Nachzügler*innen am nächsten Tag bemitleiden, die verzweifelt und durchnässt auf der Suche nach einem kleinen freien Fleck für ihre Zelte sind. Aber ist der Platz erst mal gefunden und das Camp aufgebaut, kann man sich für die erste Zigarette im Campingstuhl niederlassen und anschließend die Gegend erkunden. 

Eine Erkundungstour ist dringend nötig, denn wer erst im Dunkeln losmarschiert, verläuft sich schnell in dem Labyrinth aus Bühnen, Wald und Dekoration.

Auch wenn der erste Tag, oder eher die erste Nacht, dem sonst bunten und funkelnden Gelände einen grauen Schleier aus Regen und Matsch verleiht, tut dies der Tanzlaune der Gäste keinen Abbruch. Manch einer ist sogar etwas froh über das Nass von oben – Erinnerungen an das vorherige Jahr, als man in der verstaubten Luft kaum noch die Hand vor den Augen sah, machen den Regen sehr viel erträglicher.

Poncho drüber und warm tanzen!

Vorher werden aber erst einmal das Line-Up und der Timetable gecheckt. Beides bekommt man beim Feel nämlich erst bei Ankunft am Eingang das allererste Mal zu sehen. Damit sorgt das Festival von Vornherein für eine ganz andere Art der Vorfreude. Und es gibt ein paar freudige Überraschungen beim ersten Blick ins Programmheft, die die Erwartungen an die nächsten Tage nur noch weiter steigen lassen. Freund*innen der elektronischen Tanzmusik können sich über Größen wie Oliver Koletzki, Andhim, Yetti Meissner oder Township Rebellion freuen – um nur einige wenige zu nennen. Aber auch andere Genres sind auf den Bühnen vertreten. Mit dabei sind Bilderbuch, Blond, Milliarden und Yung Hurn. Der läutet am ersten Abend (mit etwas Verspätung) die Nacht ein und lädt zum Mitrappen ein, bevor es weiter zu einer der anderen 18 Bühnen geht, auf denen DJs den Strand, den Erdboden oder die aufgebauten Paletten zum Wackeln bringen.

Die fünf Tage auf dem Feel sind ein bisschen wie ein kleiner Urlaub

– ihr kennt das, wenn man in den Ferien nicht mehr so ganz weiß, welcher Tag eigentlich gerade ist oder man sich im Nachhinein nicht mehr so ganz erinnern kann, was genau wann passiert ist. Die Tage des verlängerten Wochenendes verschwimmen– nicht zuletzt, weil „Tag“ und „Nacht“ keine besonders große Bedeutung haben und der Schlafrhythmus sowieso im Eimer ist.

Erster Tipp für First-Timer: Der Fakt, dass rund um die Uhr aus allen Ecken der Bass dröhnt, mag auf den ersten Blick die perfekte Voraussetzung für eine nie enden wollende Party sein. Spätestens am dritten Tag setzt aber doch die Erschöpfung ein. Am ruhigsten ist es erfahrungsgemäß am späten Morgen, denn dann spielen die wenigsten Acts. Also ab ins Zelt, damit ihr am frühen Abend wieder fit seid.

Und während sich die einen gerade erst zurück ins Zelt schleppen, ist für die anderen Frühstück angesagt. Das geht zum Beispiel per Food Sharing am Camp Carlowitz. Den kompletten Tag über ist für Musik und Tanz gesorgt, es gibt allerdings noch mehr zu erleben – egal ob morgendlicher Frühsport, Kinoabende oder Workshops. Wer schon immer mal Schnaps Yoga, Bondage für Anfänger oder Speed Dating ausprobieren oder Teil eines menschlichen Knotens sein wollte, ist auf dem Feel richt. Langweilig wird es hier sicher nie. Wer möchte, kann sogar Schmuck aus Abfall basteln oder sein Seepferdchen nachholen. 

Um die 20.000 Gäste tummeln sich hier. Obwohl das Gelände noch überschaubar ist und man sich an allen Ecken und Enden immer wieder trifft, bringt so eine Menge an Menschen natürlich auch einige Herausforderungen mit sich. Nachhaltigkeit war auf vielen Festivals in den letzten Jahren ein großes Thema, so auch auf dem Feel. Obwohl 20.000 Gäste viel Müll bedeuten, sehen die Campingplätze, der Wald und Strand während und nach den fünf Festivaltagen weit sauberer aus als auf so manchen anderen Festivals. Dazu tragen die Veranstaltenden zu großen Teilen selbst bei – mit Helfenden, die Tag und Nacht auf Müllsammelmission aufbrechen. Doch auch die Besucher*innen machen den Eindruck, als wollen sie das Gelände, in dessen Aufbau so viel Mühe und Arbeit gesteckt wurde, in diesem guten Zustand halten. Das zeigte sich in den gut besuchten Workshops zum Thema Nachhaltigkeit, die im Camp Carlowitz veranstaltet werden: Ob Foodsaving, Klimagerechtigkeit oder nachhaltig Feiern im Club, kein Thema wird ausgelassen. 

Dadurch, dass viele interessante Konzerte, Workshops und Veranstaltungen gleichzeitig sind, ist es unmöglich alle Spots gleichermaßen zu bestaunen und sich genug Zeit für alles zu nehmen. Trotzdem lohnt es sich, das vielseitige Gelände zu erkunden.

Ein von Laternen gesäumter Weg zum Strand führt direkt zu funkelnden Lichtern, sandigen Füßen und ein paar der wahrscheinlich bekanntesten Acts des Festivals.

Ein Highlight ist hier auf jeden Fall der Auftritt von Oliver Koletzki Freitagnacht, der vor allem durch die selbstgebastelten Schirme, Schilder und Girlanden der Gäste zu einem einzigartigen Erlebnis wird.

Verlässt man den Strand wieder und begibt sich viele rutschige Schritte durch nassen Sand einen Hügel hinauf, erreicht man die Höhen Düne, wo einen, versteckt zwischen Bäumen, tiefe Bässe á la Kobosil oder Inhalt der Nacht empfangen. Viele der DJs dort kennt man aus düsteren Clubs voller halbnackter Menschen – deshalb ist es ungewohnt, aber macht nicht weniger Spaß, auch bei Sonnenlicht auf matschigem Waldboden zu tanzen. Hämmernde Bässe an einem Freitagnachmittag verspricht zum Beispiel die Berliner DJ Jamaika Suk, zu deren Auftritt die Gäste nicht nur vor, sondern auch auf der Bühne oder den Lautsprecherboxen tanzen.

Nicht weit weg von der Hohen Dühne finden sich dann Goa- und Trancefans bei der Goa Moa, deren abgespacete Bühne allein schon ein Trip für sich ist. Weiter in Richtung Zeltplätze treibt es einen zur Steele, einem aus Holz und Paletten liebevoll aufgebauten Komplex, wo der Auf- und Abstieg bei Regen schnell zu einer Schlitterpartie wird. Versteckt in den Holzwänden findet man hier kleine Höhlen, die ein guter und vor allem trockener Ort sind, um sich zu erholen.

Zurück zu den Zeltplätzen und einmal über den Hauptweg und man gelangt in ein Labyrinth aus Bühnen, wie das Bassnest, Dorado, die EX!T Bühne oder die Burg, die viele Technofans wohl an das Berghain erinnern wird. Für musikalische Abwechslung sorgt die Kreuzberg Bühne, auf der Hip Hop und 90er Trash aufgelegt wird. Tiefer ins Gelände hinein kann man bei der Silent Disco Party zappeln, in ein Bällebad hüpfen und sich in den funkelnden Dekorationen des Zauberwalds verlieren, wie Samstagnacht beim Gig von Panthera Krause. Tiefe Bässe vermischt mit lockeren House Beats und das Publikum springt mit Grinsen im Gesicht zwischen den Bäumen umher.

Irgendwann ist es dann so weit und der letzte Morgen bricht an. Viele Besucher*innen sind schon am Sonntag aufgebrochen und nur noch wenige sind am Tanzen. Während die eingefleischten Raver noch zum letzten Set von Konstantin Sibold bis 17 Uhr weitertanzen, ist der Rest des Festivals in Aufbruchsstimmung. Mit Augenringen, staubigen Haaren, aber glücklichen Gesichtern packe ich das matschige Zelt zusammen und begibt sich auf den Weg nach draußen. Nachdem ich in den Bus gestiegen bin und nach einiger Zeit die ersten Dörfer und Städte erblicke, habe ich das Gefühl, von einem fernen Planeten zu kommen und wieder auf der Erde zu landen. Das nächste Mal ist hoffentlich nicht mehr weit weg.